Ignaz "Igo" Etrich

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Ignaz „Igo“ Etrich, 1964

Textilfabrikant, Pionier des Flugzeugbaues

* 25. Dezember 1879 in Oberaltstadt (heute Horní Staré Město)

† 4. Februar 1967 in Salzburg

Straßenbenennung: Etrichstraße, beschlossen am 27. Oktober 1961

Lage: Taxham; vom Graf-Zeppelin-Platz in nördliche Richtung zur Kleßheimer Allee führend.

 

Ignaz Franz Etrich kam am 25. Dezember 1879 in Oberaltstadt (heute Horní Staré Město), einem Ortsteil von Trautenau im Riesengebirge (heute Trutnov, Tschechien) zur Welt. In den folgenden Jahren wurden die Geschwister Paul (1881–1920) und Marie (1882–1934) geboren, die ältere Schwester Elisabeth verstarb 1879 als Einjährige. Der Geburtsort von Ignaz Etrich lag an der nordöstlichen Grenze Böhmens zu Polen und war ein Teil Deutschböhmens, der Großteil der Bevölkerung deutschsprachig. Der Großvater war in der Textilindustrie tätig, gründete Mitte des 19. Jahrhunderts eine Flachsspinnerei und erweiterte den Betrieb um neue Standorte. 1901 übernahmen die beiden Söhne Johann und Ignaz die Firma und teilten sie, Ignaz leitete fortan den Standort Oberaltstadt. Dessen gleichnamiger Sohn, der „Igo“ genannt wurde, um Verwechslungen mit dem Vater zu vermeiden, sollte später das Familienunternehmen führen. Igo Etrich maturierte 1898 an der Oberrealschule in Trautenau und diente anschließend als Einjährig-Freiwilliger der k. u. k. Armee beim 7. Dragoner-Regiment in Altbunzlau (heute Stará Boleslav, Tschechien), wo er den Rang eines Leutnants der Reserve bzw. Oberleutnants der Landwehr-Ulanen innehatte. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee studierte er drei Semester an der Handelshochschule in Leipzig. „Da ich dazu ausersehen war, später die Betriebe unserer Firma zu leiten, hatte ich kein Interesse, einen akademischen Titel zu erwerben und machte daher keine Abschlußprüfungen“, so Etrich in seiner Autobiografie. 1903 trat er in den Familienbetrieb ein und betätigte sich nach eigenen Angaben „in der Leitung der beiden Flachsspinnereien in Oberaltstadt und Bausnitz und bei der Errichtung einer Zweigfabrik in Wysotschanka bei Witebsk in Rußland“. Befördert vom Vater zeigte Igo Etrich bereits in jungen Jahren Interesse an technischen Konstruktionen, insbesondere an Flugapparaten. So erwarb der Vater aus dem Nachlass des tödlich verunglückten deutschen Flugpioniers Otto von Lilienthal zwei Fliegermodelle, um dem Sohn erste Konstruktions- und Flugversuche zu ermöglichen.

 

Pionier des Flugzeugbaus

Mit Mitte 20 entwarf und baute Igo Etrich gemeinsam mit dem aus Marburg (heute Maribor, Slowenien) stammenden Ingenieur Franz Xaver Wels in den Textilwerken in Trautenau einen Gleitflieger, der sein Vorbild in einer javanischen Flugsamenart hatte. Der „Etrich-Wels-Gleiter“ wurde im März 1905 beim k.k. Patentamt in Wien zur Patentierung angemeldet, im März 1906 wurde das Patent genehmigt und in der Folge auf Frankreich, Italien und die USA ausgeweitet. 1906 erfolgten in Oberaltstadt die ersten Testflüge des Gleiters, der aufgrund des Fehlens eines Rumpfes in der Fachsprache als „Nurflügel“ bezeichnet wird. Igo Etrich verlegte seine Konstruktionsarbeiten 1908 nach Wien, wo er zunächst mit Wels, ab 1909 mit dem Mechaniker und Piloten Karl Illner in der „Aeroplan“-Werkstätte in der Rotunde im Prater an der Weiterentwicklung des Gleiters zu einem Motorflugzeug arbeitete. Mit Zustimmung des Vaters zog er sich vorübergehend aus dem Familienbetrieb zurück und übersiedelte 1909 nach Wien. Etrich mietete zudem einen Hangar auf dem Steinfeld, dem Flugplatz in Wiener Neustadt, wo er im Sommer 1909 erstmals mit der „Etrich I“, im Volksmund „Praterspatz“ genannt, in die Höhe stieg. Mit der technischen Weiterentwicklung seines „Monoplans“, der „Etrich II“, genannt „Taube“, sollte Igo Etrich in die Geschichte des Flugzeugbaus eingehen. Die „Salzburger Chronik“ brachte im Februar 1910 folgende kurze Notiz: „Der Aeroplan Etrich II. wurde heute mittags mittels Automobil von der Rotunde nach dem Steinfelde gebracht. Etrich wird Dienstag mit seinen Flugversuchen starten.“ Im April 1910 hob die „Taube“ schließlich erstmals ab. Erneut wurde darüber auch in Salzburg berichtet. „Der Aviatiker Etrich setzte auf dem Flugfelde in Wiener-Neustadt seine Flugversuche mit seinem Monoplan fort und blieb acht Minuten in einer Höhe von fünf bis zwanzig Meter in der Luft. Er landete glatt. Das Publikum bereitete dem Aviatiker stürmische Ovationen“, so das „Salzburger Volksblatt“. Igo Etrich selbst machte die ersten Flüge, verletzte sich allerdings nach einem Absturz am Rückgrat, sodass die weiteren Tests sein Kompagnon Karl Illner durchführte. Illner legte Ende April mit der „Taube“ als dritter Österreicher die Pilotenprüfung ab, stellte Rekorde im Dauerflug auf und absolvierte am 17. Mai 1910 den ersten „Fernflug“ in Österreich von Wiener Neustadt nach Wien und retour. Der Entwickler selbst bezeichnete die „Taube“ wenige Jahre vor seinem Tod überschwänglich als das stabilste Motorflugzeug, das jemals konstruiert wurde. Er ließ sich das Flugzeug in Österreich, Ungarn, Deutschland, Großbritannien, den USA, Frankreich und Rußland patentieren. In Österreich übernahm die Firma Lohner in Wien die Serienproduktion, in Deutschland wurde sie zunächst unter dem Namen „Etrich-Rumpler-Taube“ vom Flugzeug- und Automobilbauer Edmund Rumpler in Berlin in Lizenz hergestellt. Da im deutschen Kaiserreich jedoch nur ein Teil der Konstruktion patentiert wurde und Rumpler in der Folge die Maschine unter dem Namen „Rumpler-Taube“ vermarktete, kam es zum Bruch zwischen den beiden, Etrich ließ den Lizenzvertrag annullieren. Er bezeichnete diese Geschäftsbeziehung rückblickend als „den größten Fehler meines Lebens (…), der mich in der Folge um die Früchte meiner 10jährigen Entwicklungsarbeit gebracht hat“.

Nachdem für die ersten Ausfertigungen der „Taube“ noch französische Clerget-Motoren verwendet worden waren, lieferte die Austro Daimler GmbH nach einer Konstruktion von Ferdinand Porsche ab dem Modell „Etrich III“, „Möwe“ genannt, die Antriebe für die Etrichschen „Monoplane“. Mit seiner Erfindung erregte Etrich nicht nur das Interesse der Öffentlichkeit, auch offizielle Stellen erkannten bald das Potential für zivile, vor allem aber für militärische Zwecke. Kaiser Franz Joseph I. würdigte Etrich mit einem Besuch auf dem Flugplatz in Wiener Neustadt am 19. September 1910, wo er sich von Etrich und Illner die „Etrich IV“ zeigen ließ. Da er selbst keine Flugzeugfabrik besaß, ging Igo Etrich im Herbst 1910 eine strategische Partnerschaft mit der Motor-Luftfahrzeug-Gesellschaft (MLG) ein, die die Produktionslizenz für Österreich übernahm. Der Erfinder erhielt im Austausch einen Sitz im Aufsichtsrat der MLG. Mit der Anbindung an diese Gesellschaft einher gingen vor allem militärische Interessen der Habsburgermonarchie. Die „Etrich VIII –Taube“, die 1911 abhob, war das erste Militärflugzeug Österreich-Ungarns, ein Jahr später ging sie in leicht veränderter Bauart bei Lohner in Serienproduktion. „Die außenpolitischen Verwicklungen, die seit der Annexion von Bosnien und Herzegowina im Jahre 1908 ständig an Schärfe zunahmen, beschleunigten den Aufbau des militärischen Flugwesens und ich half, den militärischen Erfordernissen mit meinen Flugzeugen in jeder Beziehung gerecht zu werden“, so Etrich wenig kritisch über seine Pionierfunktion im Bereich der Rüstung. (Militär-)Piloten bildeten Etrich und Illner in den eigenen Flugschulen in Wiener Neustadt und in Berlin-Johannisthal aus. Für seine Verdienste wurde Etrich 1911 das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen.

Am 12. Mai 1912 bot sich den Salzburgerinnen und Salzburger die Gelegenheit, Karl Illner und die „Taube“ bei einem Schauflug in Salzburg zu beobachte. Es sollte jedoch bei einem einzigen „prächtigen Flug von 15 Minuten Dauer mit seinem Etrich-Aeroplan“ bleiben. „Bei der Landung hatte der kühne Fahrer ein Malheur, indem die Räder des Flugapparates in eine mit Gras verwachsene Grube gerieten, wodurch ein Bruch des Radgestells erfolgte. Dadurch wurden die weiteren angekündigten Flüge leider unmöglich gemacht“, so das „Salzburger Volksblatt“ in seinem Wochenrückblick.

 

Flieger für den Krieg

1911 kehrte Igo Etrich in den Familienbetrieb zurück und übernahm dessen Leitung, die Fliegerei ließ ihn jedoch nicht los. „In einem Nebengebäude unserer Spinnerei richtete ich eine Werkstatt ein, in der neue Flugzeugtypen geschaffen werden konnten.“ In Trautenau entstand in dieser Zeit der Prototyp der „Schwalbe“, die jedoch nie zur Herstellung größerer Stückzahlen ausreifte. Um die Produktion selbst in der Hand zu haben, gründete Etrich 1912 die Etrich-Flieger-Werke GmbH in Liebau in Schlesien (heute Lubawka, Polen), das rund 20 km von Etrichs Heimatstadt Trautenau entfernt war, jedoch bereits im Landkreis Landeshut lag und damit zu Preußen gehörte. Dort stellte er nun selbst seine „Tauben“ her und entwickelte das erste Passagierflugzeug mit geschlossener Passagierkabine, die „Luft-Limousine“. Da den preußischen Militärs die Grenznähe der Produktionsstätte in Liebau ein Dorn im Auge war, verlegte Etrich nach kurzer Zeit den Betrieb nach Briest bei Brandenburg an der Havel, wo er schließlich gemeinsam mit Gottfried Krüger die Brandenburgischen Flugzeugwerke GmbH gründete, die Flugzeuge für die preußische und österreichisch-ungarische Luftwaffe produzierte. Laut Etrich waren „bei Beginn des ersten Weltkrieges fast die Hälfte aller Flugzeuge der Mittelmächte ‚Tauben‘“. Chefkonstrukteur und technischer Leiter war Ernst Heinkel, der bereits im Werk in Liebau für Etrich gearbeitet hatte. Heinkel gründete 1922 die Heinkel Flugzeugwerke, die neben anderen Herstellern maßgeblich für den Wiederaufbau der deutschen Luftwaffe während der NS-Zeit und die Bereitstellung von Flugzeugen im Zweiten Weltkrieg verantwortlich zeichnete. Die Anteile Etrichs an den Brandenburgischen Flugzeugwerken wurden 1917 vom Bankier und Industriellen Camillo Castiglioni aufgekauft und mit weiteren Firmen zur Hansa- und Brandenburgische Flugzeugwerke AG fusioniert. Etrich war zwar weiterhin in die Produktion involviert, jedoch nicht mehr operativ tätig. Igo Etrich selbst war zu Beginn des Ersten Weltkriegs zunächst als Ordonnanzoffizier eingezogen und nach Galizien geschickt worden. Er wurde nach drei Monaten jedoch beurlaubt, um die elterlichen Textilwerke zu leiten, die ebenfalls für die Kriegswirtschaft produzierten.

 

Fabrikant in Familientradition

Auf Grundlage des Versailler Friedensvertrages wurden die Flugzeugwerke 1919 aufgelöst und die Entwicklung von (Militär-)Flugzeugen verboten, woraufhin sich Igo Etrich ausschließlich dem elterlichen Betrieb widmete. „Ich zog mich von der Fliegerei vollkommen zurück und befaßte mich ausschließlich mit der Leitung meiner beiden Flachsspinnereien im Sudetengau, deren Alleininhaber ich nach dem Tode meines im Jahr 1927 verstorbenen Vaters war.“ Er wandte sich dem Bau von Flachsaufbereitungsmaschinen zu, wobei die politischen Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg zu wiederholten Auseinandersetzungen mit der Arbeiterschaft der Betriebe führten. Nachdem Etrichs erste Ehe, die er 1908 eingegangen war, bereits nach einem Jahr gelöst worden war, heiratete er am 8. Oktober 1919 in der evangelischen Pauluskirche in Wien-Landstraße Maria Theresia Forst, der Ehe entstammten die Töchter Marierose/Marie-Rose, Susanne und Ivette, die im Oktober 1939 verstarb.

In einem 1943 in der dritten Person verfassten Lebenslauf gab Etrich an: „Im Jahre 1920 brachte er das allgemein bekannte Etrich-Wergveredelungssystem heraus, welches aus 3 Maschinen bestand, die sein Vater bereits seit dem Jahre 1890 entwickelt hatte. Er konstruierte im Jahre 1927 eine neue Schwingturbine, welche dauernd weiter vervollkommt wurde und heute als die technisch fortgeschrittendste (sic) Maschine dieser Art gilt.“ Ein letztes Mal entwarf er Ende der 1920er Jahre einen Flugapparat, die „Sport-Taube“, die ein Flugzeug für die breite Masse hätte werden sollen. Es kam jedoch nie zu einer Serienproduktion. „Leider zwang mich die tschechische Militärverwaltung, die Flugversuche einzustellen und das Flugzeug zu zerstören, unter dem fadenscheinigen Vorwand, daß ich dasselbe eventuell zu Schmuggelzwecken verwenden könnte. Auf Grund dieser feindseligen Haltung der Behörden entschloß ich mich, jede weitere Tätigkeit auf flugtechnischem Gebiet einzustellen“, so Etrich in seiner Autobiografie. Ab Mitte der 1930er Jahre engagierte sich der Industrielle politisch in der nationalsozialistisch ausgerichteten Sudetendeutschen Partei (SdP), die in dieser Zeit unter ihrem Führer Konrad Henlein zu einem einflussreichen politischen Faktor in der Tschechoslowakei wurde und – von NS-Deutschland finanziell und ideologisch unterstützt – massiv für eine Abtrennung von der Tschechoslowakei bzw. einen Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich eintrat.

 

NS-Zeit

Im Münchner Abkommen vom 29./30. September 1938 vereinbarten die europäischen Mächte die Angliederung des Sudetenlandes an das „Dritte Reich“, ohne die Tschechoslowakei in die Gespräche einzubeziehen. Die Wehrmacht marschierte ab dem 1. Oktober in diese Gebiete ein. Die SdP wurde offiziell am 5. November 1938 aufgelöst und in die NSDAP überführt, ehemalige Mitglieder der SdP mussten jedoch einen Aufnahmeantrag stellen. Igo Etrich füllte diesen per 1. November 1938 aus. Er wurde mit dem Antragstag und der Mitgliedsnummer 6.685.942 in die Partei aufgenommen und der Ortsgruppe Oberaltstadt zugewiesen. Die Mitgliedskarte wurde am 31. März 1939 ausgestellt. War für die illegalen Parteigenossinnen und Parteigenossen in Österreich der Nummernblock von 6.100.001 bis 6.600.000 mit Beitrittstag 1. Mai 1938 reserviert, so wurden jenen aus dem eingegliederten Sudetenland mit dem Beitrittstag 1. November 1938 Nummern ab 6.600.001 zugewiesen. Die Nummer 6.600.001 erhielt Konrad Henlein, Führer der Sudetendeutschen Partei und ab Oktober 1938 Gauleiter und Reichsstatthalter des Sudetengaues.

Zwischen 1938 und 1943 veröffentlichte Igo Etrich nach eigenen Angaben insgesamt sieben Fachartikel in Klepzigs Textil-Zeitschrift. Um weiterhin fallweise publizieren zu können, suchte er im Sommer 1943 um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer an. In dem bereits zitierten Lebenslauf, der dem Antrag beilag, strich er seine Leistungen als technischer Entwickler im Textilbereich hervor, die von immanenter Bedeutung für die Kriegswirtschaft des NS-Regimes waren: „Igo Etrich befaßte sich auch eingehend mit dem Problem der Fasergewinnung aus Grünflachs und brachte im Jahre 1940 ein Grünflachs-Aufbereitungs-System heraus, welches im In- und Ausland große Verbreitung fand und für die weitere Entwicklung der Leinenindustrie von großer Bedeutung zu werden verspricht. Er entwickelte im Laufe der letzten Jahre verschiedene neue Typen von Bastfaseraufbereitungsmaschinen, auf welche Patente erteilt wurden und deren Lizenzbau in 3 deutschen Maschinenfabriken durchgeführt wird. Im Jahre 1939 konstruierte Igo Etrich auch eine Hanfschwingturbine, welche die leistungsfähigste ihrer Art ist und nach dem Kriege, ebenso wie die Maschinen für die Flachsaufbereitung, wesentlich dazu beitragen wird, die großen, im Osten angebauten Bastfasermengen zu verarbeiten.“ Am Ende seiner Ausführungen sparte er nicht mit Eigenlob, das er im Sinne des Adressaten mit NS-Jargon unterlegte: „Durch seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Flugtechnik und der Textilindustrie ist Igo Etrich den größten deutschen Wegbereitern der Luftfahrt und der Bastfaserindustrie zuzuzählen. Er leitet heute als Betriebsführer seine beiden Flachsspinnereien und steht bereit, nach dem Sieg der deutschen Waffen, an der Lösung der großen technischen Probleme mitzuwirken, welche dem deutschen Volk durch den Raumgewinn im Osten erwachsen werden.“

Auch in der NS-Zeit war Igo Etrich als Pionier des Fliegens und damit als Wegbereiter der Deutschen Luftwaffe hoch angesehen. 1942 gab die Kriegswissenschaftliche Abteilung der Luftwaffe, Zweigstelle Wien, die Broschüre „Igo Etrich und seine ‚Taube‘“ heraus. Diese war die Grundlage für die Entscheidung der Technischen Universität Wien, dem Flugzeugpionier ein Doktorat honoris causa zu verleihen. Der Festakt fand am 16. Juni 1944 anlässlich des „Tages der Technik“ statt. Zahlreiche Zeitungsberichte über sein Leben und Schaffen erschienen in der Presse, die jedoch kaum propagandistischen Wortlaut aufwiesen. Der Reichssender Wien brachte am 20. Juni den einstündigen Radiobeitrag „Lebendiges Wort: Aviatik in aller Welt. Der Flugpionier Igo Etrich“. Bezüglich seiner wichtigsten Erfindung, der „Taube“, erfolgte in der NS-Zeit eine Korrektur von amtlicher Seite, die ihren Ursprung nicht im Bemühen um historische Korrektheit sondern in der rassistischen Ideologie hatte. Das seit 1911 im Deutschen Museum in München als „Rumpler-Taube“ ausgestellte Flugzeug wurde „arisiert“, indem der Name des Flugzeugbauers Edmund Rumpler, der jüdischer Herkunft war, gestrichen und die Leistungen von Igo Etrich als Erfinder des Flugzeugtyps in den Vordergrund gestellt wurden.

Von einem aktiven Engagement von Igo Etrich für die NSDAP oder eine ihrer Untergliederungen ist bislang nichts bekannt.

 

Nachkriegszeit

Der vermögende Großindustrielle Igo Etrich erlebte das Kriegsende in seiner sudetendeutschen Heimatstadt. Nach der Kapitulation des NS-Regimes requirierten sowjetische Truppen die Villa in Oberaltstadt, Etrich selbst wurde in der wiedererstandenen Tschechoslowakei vorübergehend inhaftiert, der Staat konfiszierte die Betriebe. Der Enteignung folgte 1946 die Vertreibung aus der Heimat. Igo Etrich ließ sich mit seiner Familie zunächst in Schwarzach in Niederbayern nieder, wo er auch beruflich durch die Entwicklung und Patentierung von Apparaturen für die Textilindustrie erneut Fuß fassen konnte. 1950 übersiedelte er nach Freilassing. In den letzten 15 Lebensjahren erfuhr Igo Etrich mehrfache Würdigungen. 1954 wurde er zum Ehrenpräsidenten des Landesverbands Salzburg des Österreichischen Aero-Clubs ernannt. „Diese hohe Ehrung freute mich deshalb besonders, weil sie nach langen traurigen Jahren eine Anerkennung meiner Pionierarbeit auf flugtechnischem Gebiet von Seiten meines Heimatlandes Österreich darstellt.“ 1955 erhielt Etrich in der BRD das Bundesverdienstkreuz, im Jahr seines 80. Geburtstages wurde ihm 1959 in Wiener Neustadt der Ehrenring der Stadt verliehen und eine Wohnsiedlung in „Etrich-Hof“ benannt. Am 23. Jänner 1960 überreichte Bürgermeister Franz Jonas dem Erfinder im Wiener Rathaus den Karl-Renner-Preis, am 11. Februar 1965 wurde eine Büste von Etrich im Technischen Museum Wien enthüllt. Im Alter von 85 Jahren brachte er seine Erfahrungen und Überlegungen auf „geistwissenschaftlichem“ Gebiet, u. a. über die Reinkarnation, Medien, Séancen und unbekannte Flugobjekte, zu Papier. „Ich bin dem Schicksal dafür dankbar, daß es mich nach Verlust meiner Heimat, des gesamten Vermögens und nach Kerkerhaft, aus einer scheinbar hoffnungslosen Lage wieder nach oben geführt hat und daß ich, von allen Mitbürgern geehrt, in einer der schönsten Gegenden der Welt meinen Lebensabend verbringen darf.“ Laut Meldeschein zog der Flugzeugpionier Anfang des Jahres 1967 von Freilassing zu seiner Tochter Marierose, verheiratete Lütgendorff-Gyllenstorm, in die Stadt Salzburg. Vier Wochen später starb Igo Etrich am 4. Februar 1967 in Salzburg. Er wurde auf dem Kommunalfriedhof beigesetzt. Mehrere Städte in Österreich benannten ab den frühen 1970er Jahren Straßen nach Igo Etrich, so etwa Wien, Graz und Villach.

 

Straßenbenennung

Bereits im Herbst 1957 tauchte der Name Igo Etrich im Zusammenhang mit einer Straßenbenennung im Neubaugebiet von Taxham auf. In der Großsiedlung wurden die Straßen nach „Pionieren der Luftfahrt“ benannt, die ersten Benennungen erfolgten im August dieses Jahres. Die Witwe von Hans Guritzer beklagte sich daraufhin bei Landesrat Josef Kaut (SPÖ), dass offensichtlich bei der ersten Tranche der Benennungen auf ihren verstorbenen Mann vergessen wurde. Gleichzeitig schlug sie vor, neben Hans Guritzer auch Igo Etrich mit der Benennung einer Straße zu ehren. Bezüglich des Letztgenannten verwies Dr. Oskar Hirt vom Kulturamt jedoch darauf, „daß die Gepflogenheit der Strassenbenennung nach Persönlichkeiten nur die Verwendung von Namen bereits verstorbener Personen vorsieht“. Sowohl Guritzer als auch Etrich, der zu besagter Zeit in Freilassing wohnte, wurden für spätere Benennungen vorgemerkt.

Im Sommer 1961 stand die Erweiterung der Großsiedlung Taxham an, zwei weitere Straßenzüge im Bebauungsgebiet B sollten nach Pionieren der Luftfahrt benannt werden. Das Amt griff auf den seinerzeitigen Wunsch nach einer Benennung nach Hans Guritzer zurück, doch offensichtlich wollten die Verantwortlichen zunächst dem oben zitierten Prinzip treu bleiben und die zweite Straße nicht nach Igo Etrich benennen. In der Diskussionsunterlage für die Besprechung des Unterausschusses war bezüglich dieser zweiten Straße vermerkt: „Vorschlag wird noch vom AERO-Club eingeholt.“ Im Spätsommer schienen sich allerdings die Ereignisse überschlagen zu haben, wie aus einem Brief von Bürgermeister-Stellvertreter Sepp Weilhartner (FPÖ) an Gemeinderat Dr. Herbert Glaser (ÖVP), den Vorsitzenden des Kulturausschusses, hervorgeht. Weilhartner bat Glaser, die Straßenbenennung „dringend im Kulturausschuß zu beraten, obwohl die Abteilung II noch nicht in der Lage war, den entsprechenden Amtsbericht zu erstellen. Der Unterausschuß hat sich bereits mit der Angelegenheit befasst und die entsprechenden Vorschläge erstattet, so daß keine Schwierigkeiten bestehen dürften.“ Der Grund für die Eile der Beschlussfassung lag in der Einweihung der Stadtpfarre Herrnau im Herbst 1961: „Die Benennung ist vor allem für Herrnau dringend, da der dortige Pfarrer Tomaschek die Strassenbenennung noch vor dem 5.11.d.J. durchgeführt haben möchte, da an diesem Tage die feierliche Glockenweihe stattfindet.“ Warum die Benennungen der Straßen in Taxham und in der Herrnau junktimiert wurden, geht aus dem Schriftwechsel nicht hervor. Der Zeitdruck ließ die Verantwortlichen im Kulturamt, im Ausschuss und im Gemeinderat nun die Prinzipien der Benennung zurückstellen, sodass die beiden Straßen in Taxham nun nach Hans Guritzer und Igo Etrich benannt werden sollten. Weilhartners Brief an Glaser ist mit 24. Oktober 1961 datiert, bereits einen Tag später beschloss der Kulturausschuss nach Vortrag des Referenten Dr. Franz Kläring (ÖVP) die Benennung nach Guritzer und Etrich. Die Bestätigung des Stadtsenates sowie der einstimmige Beschluss des Gemeinderates der Stadt Salzburg (SPÖ 14, ÖVP 13, FPÖ 9, KPÖ 1) erfolgten zwei Tage später am 27. Oktober 1961. Igo Etrich erwähnte die Straßenbenennung in der Stadt Salzburg ihm zu Ehren in keiner seiner autobiografischen Schriften.