Gustav Resatz

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Gustav Resatz in seiner Werkstatt, 1960

Bildhauer, Handpuppenspieler

* 28. Juni 1903 in Wien

† 17. November 1962 in Salzburg

Straßenbenennung: Resatzstraße, beschlossen am 29. September 1971

Lage: Aigen-Glas; kurzer Straßenzug von der Alten Aigner Straße in nordöstlicher Richtung abzweigend.

 

Gustav Adolf Resatz erblickte am 28. Juni 1903 in Wien „als Sohn des bürgerlichen Schneidermeisters Franz Resatz“ und der Marie Resatz, geborene Kheiel, das Licht der Welt. Von 1909 bis 1914 besuchte er die Volksschule, von 1914 bis 1919 die fünfjährige Realschule. Danach absolvierte er vier Jahre an der Staatsgewerbeschule chemisch technischer Richtung (nachmalig Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie, heute HBLVA Rosensteingasse). Im Anschluss an die Matura war Resatz drei Monate als Färbereichemiker tätig, ehe er sich für Kurse an der Kunstgewerbeschule bei Anton Hanak einschrieb. „Nach 3 Monaten verliess ich sie, um im Salzkammergut das Handwerk (Bildhauerei) zu erlernen“, gab Resatz 1941 in einem Lebenslauf an. Und weiter: „Nach ½ Jahr, Ende 1924 kehrte ich nach Wien zurück und fristete mein Leben als Hilfsarbeiter, mit Schirmgriffschnitzen, als Aushelfer in einer Käsehandlung, um in der freien Zeit vorwiegend als Autodidakt meine künstlerische Ausbildung zu vervollkommnen.“ Anlässlich einer Gedächtnisausstellung für Resatz im Jahr 1964 beschrieb der ungenannte Verfasser der aus diesem Anlass publizierten Broschüre diesen Lebensabschnitt folgendermaßen: „Unter unsäglichen Entbehrungen und Entsagungen ging er seinen Weg in fanatischer Einsamkeit, besessen von dem Ringen um die Vollendung seines künstlerischen Auftrages.“

Österreichische Zeitungen berichteten erstmals Ende der 1920er Jahre über den jungen Künstler. 1928 wurden im Rahmen der Frühjahrsausstellung des 1921 gegründeten Künstlerbundes Segantini in der Neuen Hofburg in Wien die zwei Elfenbeinschnitzereien „Kleinod“ und „Mädchen“ von Gustav Resatz gezeigt. Ein Jahr später stellte er ebendort seine Holzschnitzarbeit „Wanderer“ aus, die laut Pressebericht „in der Linienführung gut gelungen“ war. Resatz‘ Elfenbeinstücke waren erneut im Frühjahr 1930 bei der Werkbundausstellung im Österreichischen Museum zu sehen. Im Dezember 1931 öffnete der Künstler die Tore seines Ateliers in der Florianigasse 66 im VIII. Bezirk, zugleich seine Wohnadresse, um profane und christliche Kunst zu zeigen, darunter sowohl Kasperlpuppen als auch ein Marienaltar und eine Christophorus-Figur. Der Rezensent der „Reichspost“ schloss seinen Kurzbericht mit der indirekten Aufforderung: „Jedenfalls sei der Besuch dieser Ausstellung wärmstens empfohlen. Vielleicht findet sich dann auch ein Auftraggeber, der diesem begabten Künstler die Möglichkeit, zu schaffen, bietet.“

 

Passion Puppenspiel

Resatz wurde zunächst und für längere Zeit jedoch primär mit seinen Kasperlfiguren bekannt, die er für den im Jänner 1926 gegründeten österreichischen Urania-Verband geschaffen hatte. Mit einem Auto und einem Handpuppentheater tourten die beiden jungen Spieler – der aus Deutschland stammende Philosophiestudent Siegfried Räck und der Wiener Tischler Rudolf Schier – zwischen 1928 und 1933 durch Österreich und das angrenzende Deutschland. „Die Figuren des Theaters, die künstlerisch wirklich hochstehend sind, wurden von dem Wiener Bildhauer Gustav Resatz geschnitzt und bekleidet.“ Die Presse berichtete äußerst lobend über die Aufführungen, die von den Landesschulräten Wiens und der Bundesländer zum Besuch empfohlen wurden. Radio Wien lud Räck im Februar 1931 ein, im Hörfunk über seine Erlebnisse zu berichten. Auch Gustav Resatz selbst verlieh seinen Handpuppen gelegentlich Leben, so z. B. im Dezember 1929, als er mit Schülern von Prof. Oskar Strnad aus der Kunstgewerbeschule eine Vorstellung von „Doktor Faust“ im Vortragssaal des Österreichischen Museums in Wien gab. Wohl aufgrund der jüdischen Herkunft Strnads sollte sich Resatz ein Jahrzehnt später nicht an diese Veranstaltung erinnern wollen, wenn er einem Zeitungsreporter gegenüber angab: „Im Jahre 1932 trat ich zum erstenmal in Wien in den Räumen der damaligen Ortsgruppe Währing der NSDAP mit meinem Puppentheater vor die Oeffentlichkeit.“

 

Philosophische Überlegungen zur Kunst

Autodidaktisch bildete sich Gustav Resatz in den 1920er und 1930er Jahren in Philosophie, Psychologie und der ausdruckswissenschaftlichen Graphologie nach Ludwig Klages weiter. Letztere inspirierte auch seine schriftstellerischen Arbeiten, die sich häufig um Fragen des Ornamentalen als Aussage und Ausdruck drehten. Erstmals publizistisch Aufsehen erregte Resatz, der laut eigenen Angaben seit 1927 journalistisch tätig war, mit einem kurzen Artikel mit dem Titel „Die Einstellung des jungen Künstlers zu unserer Zeit“ in der in Wien herausgegebenen völkisch-nationalen Zeitschrift „Der getreue Eckart“. Der wohl stark vom eigenen Erleben des 29-Jährigen beeinflusste Text stellte die Frage nach der künstlerischen und weltanschaulichen Orientierung junger Kunstschaffender auf der Suche nach dem eigenen Stil in Folge des Ersten Weltkriegs und in einer Zeit, die von Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Geldentwertung und Technisierung geprägt war. Dabei betonte Resatz, dass er mit seinen Ausführungen nicht den Untergang des Kunstschaffens voraussagen wolle, sondern „daß der künstlerisch Tätige unserer Tage in seinem Wirken eine grundsätzliche Änderung vornehmen muß, wenn er mit seiner Arbeit lebendige Werte schaffen will, das heißt Werte, die praktisch und ideell im Leben stehen. Er soll dort zupacken und mit seiner Tätigkeit beginnen, wo er wirklich gebraucht wird[,] und vom akademischen Standpunkt auf das solide Fundament des Handwerkers zurückkehren und sich nicht scheuen, selbst die kleinsten Aufgaben[,] und seien sie auch auf dem sogenannten ‚kunstgewerblichen Gebiet‘[,] künstlerisch vollendet zu lösen.“ Resatz‘ wenige Seiten umfassenden grundlegenden Gedanken, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten sollten, wurden in mehreren österreichischen Zeitungen besprochen und – wohl vom Pressetext des Verlages übernommen – gemeinsam mit den im selben Heft abgedruckten Beiträgen von Dr. Georg A. Lukas („Segen der aufbauenden Arbeit“) und Karl Springenschmid („Die Ueberlastung der Bäuerin“) – als Beschäftigung „mit Gegenwartsnöten und Aufgaben“ bezeichnet. Am 24. August 1932 sprach Resatz von 15:55 bis 16:20 Uhr über das Thema seiner Abhandlung im österreichischen Radio. Nur wenige Tage nach Erscheinen des Artikels bekam der junge Künstler vom Eckartbund zur Förderung der schönen Künste gemeinsam mit dem akademischen Maler Jacques Sternfeld und dem Bildhauer Anton Endstorfer einen Förderpreis zuerkannt. 1936 folgte ein längerer Essay unter dem Titel „Wiedergeburt oder Untergang der bildenden Kunst“, in dem Gustav Resatz seine Grundgedanken zur seiner Meinung nach trostlosen Situation der bildenden Künste und seine Forderung nach einer Erneuerung darlegte. Er nannte darin die nationalsozialistische Kunstpolitik zwar nicht beim Namen, doch galt sie ihm – drei Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP in Deutschland – klar als Vorbild, wenn er unter Verwendung eindeutiger NS-Signalwörter schrieb, „daß die erste Voraussetzung für einen Neuaufstieg der Kunst ein seelenvolles Gemeinschaftsleben ist, das erfüllt sein muß von einer einheitlichen, lebensnahen Weltanschauung. Wer die Zeichen der Zeit versteht, sieht die jungen Ansätze hiezu. Darum muß der Künstler gerüstet sein, wenn die neue Volksgemeinschaft ihn zu seinen neuen Aufgaben rufen sollte.“ Die Kunst selbst sah er als „die Offenbarung blutgebundenen Lebens“, eine Idee, die er wenige Jahre später unter geänderten politischen Vorzeichen detailliert ausführte. Antisemitisch konnotierte Anfeindungen – etwa gegen die Filmindustrie, den Journalismus, den Kunsthandel oder das Großkapital – äußerte er in seiner Schrift noch nicht expressis verbis, für die Leserschaft war der rassistische Unterton jedoch leicht dechiffrierbar.

 

Früher Eintritt in die NSDAP und Engagement während der Verbotszeit

Ab den frühen 1930er Jahren war Gustav Resatz nicht nur freischaffend künstlerisch und publizistisch tätig, sondern engagierte sich auch politisch in der nationalsozialistischen Bewegung. Am 1. Juni 1931 trat er der Ortsgruppe Josefstadt der NSDAP Wien bei und erhielt die von der Reichsleitung in München bestätigte Mitgliedsnummer 510.508. Über die ersten Jahre seiner politischen Aktivitäten ist bislang nichts bekannt. Resatz selbst gab in einem Fragebogen vom Mai 1938 an, in der Zeit des Parteiverbots in Österreich von Oktober 1934 bis Oktober 1936 als Blockleiter in Wien tätig gewesen zu sein. Außerdem sei er Referent für bildende Kunst in der illegalen NS-Kulturgemeinde und Kulturreferent der Hitlerjugend gewesen. „Im Zuge meiner oben angegebenen Funktionen wurde ich zu den verschiedensten Dienstleistungen herangezogen, die ich im Bedarfsfalle genauest belegen kann“, so der Künstler im Fragebogen. 1941 wiederholte er den Großteil dieser Angaben in einem Lebenslauf anlässlich seines Antrags um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer. Einige Punkte führte er detaillierter aus, so etwa, wie er zur Partei kam: „Als Dietwart des Ersten Währinger Turnvereins trat ich 1931 in die N.S.D.A.P. ein, förderte die Zusammenarbeit der Partei mit dem Turnerbund, von Okt. 1934 bis Okt. 1936 war ich Blockhelfer, 1935 Mitarbeiter der illegalen Gaupresse, ab Okt. 1936 Mitarbeiter im Gebiet Oesterreich, Kultur-Referent bis Ende Feber 1938, unter Hannes Hiedler als Landesorganisationsleiter wurde ich zu den verschiedensten Arbeiten für die Partei herangezogen. Im Jahre 1937 nahm ich am Reichsführerlager der H.J. teil.“ Wohl eine seiner wichtigsten Aufgaben während der Illegalität bestand in der ununterbrochenen kulturpolitischen Agitation für die NS-Bewegung. Eine Publikation aus dem Jahr 1941 würdigte die österreichischen NS-Journalisten der „Kampfjahre der NSDAP“ zwischen 1933 und 1938 und die von ihnen hervorgebrachten Printmedien. Während in den ersten Monaten nach dem Parteiverbot aufgrund des Fehlens eines zentralen Gaupresseamtes unkoordiniert eine Unzahl an illegalen NS-Druckschriften in Wien erschienen war, sei es Hans Berner gemeinsam mit Dr. Franz Heimann im Sommer 1935 gelungen, mit den „Mitteilungen der Landesleitung“ ein zentrales Blatt der illegalen österreichischen NSDAP zu etablieren und parallel dazu eine Art illegales Gaupresseamt zu installieren. „Er baute sich vor allem einen ständigen redaktionellen Mitarbeiterstab auf, der aus folgenden Parteigenossen bestand: (…), Gustav Resatz, (…). Jeder einzelne dieser Mitarbeiter stand am richtigen Platz. (…) Die ‚Mitteilungen der Landesleitung‘ gingen allen höheren Dienststellen der Partei zu, gleichzeitig allen politisch maßgeblichen Persönlichkeiten des In- und Auslandes.“ Die „Mitteilungen“ waren demzufolge das maßgebliche NS-Presseerzeugnis in der Frühphase der Verbotszeit. Resatz‘ Tätigkeit für dieses quasioffizielle Organ wurde nicht genauer ausgeführt. Im Zusammenhang mit einer anderen Zeitschrift taucht der Name des Künstlers erneut auf. „Nach dem Verbot des ‚Donauboten‘ wurde die ‚Ostdeutsche Heimat‘ für die nationalsozialistische kulturpolitische Arbeit gewonnen. (…) Die ‚Ostdeutsche Heimat‘, eine Monatsschrift, gab der Wanderlehrer des Schulvereines, Pg. [Parteigenosse, Anm. d. Verf.] Vogel heraus. Als sich die finanzielle Lage des Blattes immer mehr verschlechterte, überließ er es der NS. Kulturgemeinde. Die Hauptschriftleitung übernahm nach außenhin der Bildhauer Gustav Resatz, der einzige, der polizeilich zu dieser Zeit noch nicht ‚belastet‘ erschien. (…) Die Zeitschrift, die außerordentlich gut gemacht war, zählte zu ihren Mitarbeitern: (…), Springenschmid usw.“ Mit Oktober 1937 stellte die Zeitschrift aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihr Erscheinen ein. Laut den Nachkriegserhebungen beantragte Gustav Resatz am 30. Jänner 1941 „Wiedergutmachung“, da er die Verlagsschulden in Höhe von 1.270,- RM privat vorgestreckt hatte und diese nun von der Partei abgegolten werden sollten. Gustav Resatz wurde laut eigenen Angaben aufgrund seiner illegalen NS-Tätigkeiten von den österreichischen Behörden nie in Gewahrsam genommen. Im Oktober 1937 trat er „im Auftrag der N.S.D.A.P“, wie er in seinem Antrag um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer vom Mai 1941 ausführte, der Vaterländischen Front bei. Eine Tätigkeit im Rahmen des drei Monate zuvor geschaffenen volkspolitischen Referates innerhalb der Einheitspartei ist naheliegend, jedoch nicht belegt.

 

NS-Zeit

Nach dem „Anschluß“ im März 1938 wurde Gustav Resatz zusätzlich zu seiner Mitgliedschaft in der NSDAP im Juli 1938 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), Mitgliedsnummer 9.259.289, außerdem war er Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, Mitgliedsnummer 3630. Im Juli 1939 übersiedelte er innerhalb des VIII. Bezirks von der Florianigasse in die Lindengasse 57, ab 1. Oktober 1939 war er Mitarbeiter des Kreispropagandaamtes des Kreises 1 in Wien. Möglicherweise waren in dieser Funktion seine Fähigkeiten als Handpuppenspieler gefragt, berichteten doch mehrere Zeitungen Mitte Oktober 1939 von der ersten Aufführung des von Resatz verfassten Puppentheaterstücks „Der Basilisk oder Das Urviech von Wien“ im Kreishaus des Kreises 1, der die Bezirke I, VI, VII, VIII und IX mit insgesamt 32 Ortsgruppen umfasste und dessen Kreisleiter der oben genannte Hans Berner war. Einer ersten Meldung im „Kleinen Volksblatt“ zufolge ging es in Resatz‘ Stück um „Wiener Sagen, politisch verbrämt“. Der Verfasser des Spiels selbst führte dem Journalisten gegenüber aus: „Vor einiger Zeit trat nun Kreisleiter Berner an mich mit der Aufforderung heran, für seinen Kreis ein Puppentheater zu schaffen. Diese Puppenbühne sollte kein reines Unterhaltungstheater werden, sie sollte vielmehr darüber hinaus mit kulturellen Mitteln politische Propagandawirkung erzielen.“ Unterstützt wurde Resatz bei der Aufführung von einem Hitlerjungen und einem BDM-Mädchen der Spielschar des HJ-Bannes 501. Der Bericht anlässlich der Premiere, bei der unter den geladenen Gästen auch der Stellvertretende Gauleiter von Wien, SS-Oberführer Karl Scharizer sowie die Gaufrauenschaftsleiterin, der Gauschatzmeister und sämtliche Kreisleiter von Wien anwesend waren, hielt fest, Resatz hatte „die Möglichkeit, aus den Begebnissen dieser Alt-Wiener Sage allerlei witzige Gegenwartsbemerkungen herauszuholen“, die er dem Ensemble, bestehend aus den Figuren des titelgebenden Basilisks, „in dem er die Verkörperung des ewigen Brunnenvergifters sieht“, des Kasperls, „eines leicht verkalkten Stadtrichters, eines Stadt- und Hofbäckers, eines wunderlichen Professors und zweier zänkischer Weiber“, in den Mund legte. Mit der Wortwahl „ewiger Brunnenvergifter“ griff Resatz auf ein in der NS-Propaganda häufig anzutreffendes antisemitisches Stereotyp zurück. Die Zeitungsberichte über die Aufführungen geben Aufschluss über die intendierte Propagandafunktion des Stückes. Während der Rezensent Hanns Salaschek in der „Kleinen Volks-Zeitung“ noch sehr unbestimmt ausführte: „In scherzhaftem Ton wird so manches ernsthaftes Wörtchen gesprochen, was unser Volk angeht“, erklärte das „Neue Wiener Tagblatt“, dass das Kasperlstück „eine Schule des weltanschaulichen Anstandes“ sei. „Wie überall, so kommt es auch beim Puppenspiel auf innere Haltung und Gesinnung an. Ohne große Worte redet der Dreikäsehoch mit der Zipfelhaube zu Großen und Kleinen, Armen, Reichen, zu klugen und einfachen Menschen. Seine Aufgabe ist: Lächeln hervorzuzaubern, die Gedanken der Zuschauer durch scheinbar närrisch Gehaben vom Winkelweg des Eigennutzes auf die Straße des Gemeinnutzes zu lenken (…). Kasperl ist ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen alles Schlechte im Menschen. Sein Feind ist der Drache der Faulheit, der Bequemlichkeit, der Eitelkeit. Wenn der Basilisk, das Urviech von Wien, in einem langen Monolog seine Maske lüftet und erklärt, wer er ist, daß er immer wieder und unter zahllosen Namen und politischen Farben auftaucht, als prachtsüchtiger Herrscher, als geltungsbedürftiger Minister, als kerzelschluckender Bundesbeamter, Hahnenschwanzler und schwarz-gelber Paladin eines Schattenkaisers, dann bekommt dieser Monolog tieferen Sinn.“ Wie aus den zitierten Zeitungsartikeln eindeutig hervorgeht, war Resatz‘ „Basilisk“ weniger für Kinder als vielmehr für die unterhaltungssuchenden ‚Volksgenossinnen‘ und ‚Volksgenossen‘ gedacht. Innerhalb des Wiener NS-Kulturbetriebs konnte sich der Künstler damit erneut profilieren und für weitere Funktionen empfehlen. Er trat in diesen Jahren nicht nur als Schnitzer von Puppenfiguren und Verfasser von zeitkritisch-propagandistischen Theaterstücken in Erscheinung, sondern brachte auch seine Gedanken über die Kunstform des Handpuppenspiels zu Papier. In einem kurzen Beitrag in „Die Wiener Bühne“ im Juli 1940 führte er u. a. über die Grundlagen der Figuren des Kasperltheaters aus: „In den alten Stücken lebt noch in irgendeiner Form, und mag sie noch so überdeckt sein mit Fremdem und im Laufe der Zeit Hinzugekommenem, die alte Schicksalsgötterwelt unserer germanischen Ahnen.“ Die Aufgabe des Bildhauers bestehe demzufolge darin, „allen Gestalten des Puppenspiels ein unbedingt deutsches Gepräge zu geben“. Ob Resatz auch stereotypisierte antislawische oder antisemitische Schnitzpuppen hergestellt hat, ist nicht bekannt.

Anfang der 1940er Jahre plante der Künstler, ein ausführliches Buch über die Figuren des Kasperltheaters, ihre Aufgaben und Wirkweisen zu veröffentlichen, wofür im Vorfeld seine Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer notwendig war. Gustav Resatz füllte den vierseitigen Antrag aus, unterschrieb und datierte ihn am 12. Mai 1941. Darin gab er u. a. an, seit 1933 insgesamt 23 Artikel in unterschiedlichen Zeitungen und Journalen veröffentlicht zu haben, im April 1936 seine Broschüre „Wiedergeburt oder Untergang der bildenden Kunst“ im Selbstverlag herausgebracht und im August 1932 über seinen Artikel „Die Einstellung des Künstlers zu unserer Welt“ in Radio Wien gesprochen zu haben. Er bezog seinen Angaben zufolge zu diesem Zeitpunkt kein Einkommen aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Nach Eingang des Antrages wurde der Landeskulturwalter des Gaues Wien beim Gaupersonalamt der NSDAP-Gauleitung Wien hinsichtlich einer politischen Beurteilung des Antragstellers vorstellig. Das Gaupersonalamt leitete den Antrag an das für Resatz zuständige Kreispersonalamt des Kreises 1 weiter, die Antwort ließ jedoch auf sich warten, weshalb der Gaupersonalamtsleiter der Kreisleitung Ende Juli in „beiderseitigem Interesse“ dringend empfahl, „die Angelegenheit nunmehr beschleunigt zu erledigen“. Anfang August erging schließlich die als streng vertraulich abgestempelte Beurteilung des Kreispersonalamtsleiters Karl Neuhuber an das Gaupersonalamt. Darin wurden sämtliche Mitgliedschaften von Resatz aufgezählt. Neuhuber resümierte: „Pg. Resatz ist ein alter verdienstvoller Kämpfer der Bewegung, dessen politische Einstellung außer jedem Zweifel steht.“ Weshalb die Angelegenheit in der Folge ein halbes Jahr ruhte, geht aus den Akten nicht hervor. Anfang Februar 1942 verfasste der Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer, Landesleitung Wien, Gruppe Schriftsteller, Dr. Anton Haasbauer, eine persönliche Stellungnahme zum Antrag, in der er noch einmal Resatz‘ Tätigkeiten zusammenfasste. „Mit Rücksicht auf seine Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste beantrage ich Befreiung“, so Haasbauer am Ende seiner Stellungnahme. Der Präsident der Reichsschrifttumskammer folgte dem Ansuchen des Wiener Landesleiters und befreite Resatz von der Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer. Anfallende Beiträge aufgrund seiner schriftstellerischen Tätigkeit würden ihm via seine Mitgliedschaft in der Reichskammer für bildende Künste vorgeschrieben. Die Erklärungen für die Reichsschrifttumskammer über seine Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit haben sich für die Jahre 1941 und 1942 im Personalakt Resatz im Bundesarchiv Berlin erhalten. Resatz‘ eigenen Angaben zufolge erzielte er 1941 Einnahmen in Höhe von 698,- RM und 1942 in Höhe von 700,- RM aus seinen Veröffentlichungen. Aus den beiden Schriftstücken geht auch hervor, dass er in diesen zwölf Monaten geheiratet hatte. In der ersten Erklärung gab er an, keine Kinder zu haben, in der zweiten führte er drei unterhaltspflichtige Kinder an, die offensichtlich seine Frau Luise in die Ehe mitgebracht hatte. 1942 erschien schließlich Resatz‘ Buch „Kasperl-Geheimnisse“, illustriert von Wilhelm Bahner, im Wiener Ertl Verlag. Das 140 Seiten umfassende Werk, in dem auch der Text zum Stück „Der Basilisk oder Das Urviech von Wien“ abgedruckt war, erlebte innerhalb von drei Jahren vier Auflagen. Neben einem Vorwort von Karl Cerff, dem Leiter des Hauptkulturamtes in der Reichspropagandaleitung, der auf die politische Bedeutung des Handpuppenspiels verwies, finden sich in dem Buch unzählige Ausführungen über die Notwendigkeit einer „blutmäßigen“ Rückbindung der Kunst an das Volk, über die Herausbildung der Volksgemeinschaft durch die Volkskunst und über die Möglichkeiten der politischen Aufklärung durch das Puppenspiel. „Dies alles geschieht nicht bloß deshalb, um uns eine freudige Stunde zu schenken, sondern auch, um unsere Wesensart wieder wachzurufen, damit wir in der Stunde, wo es not tut, gewappnet sind gegen feindliche, verderbenbringende Einflüsse und Verlockungen, damit der Deutsche, der jetzt erst sein großes Reich zimmert, auch innerlich wieder völlig ein Deutscher werde.“

Gustav Resatz war unzweifelhaft jene Person des Handpuppenspiels im damaligen Gau Niederdonau, die programmatisch die Linien vorgab. Einer Zeitungsmeldung zufolge stand er der HJ-Grenzland-Puppenbühne der Arbeitsgemeinschaft für Puppenspiele des Gaues Niederdonau vor, die „beabsichtigt, ihre neue Marionettenbühne besonders in den Grenzstreifen einzusetzen“ und so NS-ideologisch zu wirken. Eine der ersten Aufführungen dieser Truppe fand im Rahmen des ersten Kurses der Sommerhochschule Semmering statt, bei der auch hohe politische Würdenträger des Gaues anwesend waren. „Bildhauer Resatz hat es verstanden, in seiner Bearbeitung des alten Faust-Spieles die unwandelbaren Elemente des Puppenspiels mit neuem, in unserer Weltanschauung wurzelndem Inhalt zu füllen.“ Die tatsächliche Funktion des Bildhauers in der Arbeitsgemeinschaft geht aus der Berichterstattung in den Zeitungen nicht eindeutig hervor und Unterlagen dazu konnten bislang nicht gefunden werden, zudem mögen Aufgabengebiet und Tätigkeitsbezeichnungen im Laufe der Zeit auch variiert haben. Wurde er zunächst nur als Beirat der Puppenbühne, dann als deren Leiter tituliert (wobei der Hauptstellenleiter für Kultur, Pg. Ing. Otto Kubat, als Leiter der Arbeitsgemeinschaft aufscheint), so war im Mai 1941 vom „Pg. Resatz“ zu lesen, der „der Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Handpuppenspiele [ist], die von der NS.-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘, Abteilung ‚Volkstum und Brauchtum‘“ ins Leben gerufen wurde, „um dem deutschen Arbeiter nach der Mühe des Alltags Entspannung zu bringen und zur frohen Feiertagsgestaltung beizutragen“. Die Arbeitsgemeinschaft selbst war Teil des 1933 gegründeten Reichsinstituts für Puppenspiel, dessen klare Aufgabe die Verbreitung und Festigung der nationalsozialistischen Ideologie im „Dritten Reich“ war. Im Sommer 1942 berichtete „Das kleine Volksblatt“ schließlich, dass Resatz von der NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘ der Gauleitung Wien in Verbindung mit dem Kulturamt der Stadt Wien „mit der Führung eines ‚Arbeitskreises für das Handpuppenspiel‘ betraut“ worden sei. Welche Aktivitäten der Arbeitskreis setzte, ist bislang nicht bekannt. Unklar bleibt auch die Frage nach der militärischen Dienstpflicht des Bildhauers. In einer parteiamtlichen Ummeldung wurde im März 1943 vermerkt, er habe bis August 1941 seine Mitgliedsbeiträge an die Ortsgruppe Schottenfeld Süd, Kreis 1 in Wien bezahlt, hinzugefügt war: „dann Wehrdienst“. In Resatz‘ Lebenslauf ist für das Jahr 1942 die Einberufung zur Polizeireserve vermerkt. Die Gendarmerie in Gloggnitz gab nach 1945 an, Resatz sei in der NS-Zeit Hilfspolizist in Gloggnitz gewesen, „beschaeftigte sich aber groesstenteils mit Bildhauerei“. Weitere Anhaltspunkte zu Polizei- oder Wehrdienst fehlen. In den einschlägigen Aktenbeständen des Österreichischen Staatsarchivs konnten keine Resatz betreffenden Unterlagen eruiert werden.

 

Leiter der Werkschule Gloggnitz

Am 15. Oktober 1943 öffnete die Werkschule Gloggnitz ihre Pforten. Ziel der Neugründung dieser Anstalt war v. a. die Wiedereingliederung von Kriegsversehrten in den Arbeitsprozess, in diesem Fall für die Herstellung von kunstgewerblichen Gegenständen. Leiter der Schule war Gustav Resatz, der sich am 20. März 1943 bei der Ortsgruppe Breitenfeld, Kreis 1 in Wien ab- und in Gloggnitz angemeldet hatte. Die heute im Bundesarchiv Berlin einliegende NSDAP-Mitgliedskarte von Gustav Resatz wurde im Zuge der Übersiedlung nach Gloggnitz ausgestellt. Die Gründe dafür sind nicht eruierbar, möglicherweise ging die ursprüngliche Mitgliedskarte aus 1931 beim Umzug verloren. Anlässlich der Eröffnung der Werkschule erschien in der Schriftenreihe „Niederdonau, Ahnengau des Führers“, herausgegeben vom Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP, aus der Feder des Bildhauers die programmatische Schrift „Volkskunst im Aufbruch. Die geistigen und künstlerischen Grundlagen der Werkschule Gloggnitz“. Der Bürgermeister der Stadt am Semmering, Dr. Hans Hafner, gab in seinem Vorwort bereits den Hinweis darauf, dass Resatz in dieser Broschüre seine ein Jahrzehnt zuvor in „Der getreue Eckart“ publizierten Überlegungen vertiefe. „Die Grundgedanken dieser Schrift, insbesondere die Vorschläge zur Gestaltung einer volksnahen Kunsterziehung auf dem Boden des Handwerks, gehen auf Aufsätze und Aufzeichnungen zurück, in denen der Nationalsozialist Gustav Resatz schon 1932 die Kernsätze seines Wollens darlegte. Die politischen Kampfjahre der Ostmark, in denen auch Gustav Resatz seinen ehrlichen Einsatz leistete, waren für ihn zugleich die entscheidenden Jahre eines kompromißlosen inneren Reifens und Klärens, dessen Ergebnisse ihren Niederschlag in der nun vorliegenden Schrift gefunden haben.“ Im Falle von Resatz bedeutete dieses „Reifen und Klären“ – zu dem auch die programmatische Vorstudie „Wiedergeburt oder Untergang der bildenden Kunst“ zu zählen ist – die unbedingte rassistische Grundlegung seines Verständnisses von Kunst, wie er sie auf den ersten Seiten seiner Schrift und in starker ideologischer Anlehnung an das Buch „Kunst und Rasse“ von Paul Schultze-Naumburg aus dem Jahr 1928 ausführlich darlegte: „Wir sehen also, daß der Künstler durchaus nicht frei ist in der Auswahl seiner ‚Motive‘, Farben, Ornamente, sondern daß er immer im Rahmen seines Leitbildes bleiben muß, das nicht er bestimmen kann, sondern das von seinem Blut bestimmt wird. Er muß dieses seelische Bluterbe durchaus nicht ganz in seinen Werken ausschöpfen und zur Darstellung bringen, aber er wird nie die Grenzen dieses rassischen Leitbildes überschreiten können. Und sollte ihn irgendeine Nachahmungssucht dazu treiben oder ein falscher Ehrgeiz anspornen, einen anderen Meister zu übertreffen, so wird es ihm entweder nicht gelingen oder er wird die eigene Art stören und verfälschen.“ Ganz der nationalsozialistischen Ideologie mit ihrer Betonung von „Blut und Boden“ und den Vorbehalten gegen den künstlerischen Geniekult verhaftet, ergab sich für Resatz daraus: „Wir sahen, daß es ja gar nicht das ichhafte Einzelsein ist, was den Grundgehalt und die Eigenart des Kunstwerkes bestimmt, sondern daß das Eingebettetsein in den Blutstrom der Rasse ausschlaggebend ist, also daß das Überpersönliche der Rasse, das allen ihr angehörigen Menschen und Künstlern das eigentümliche Gepräge gibt, in den Werken in Erscheinung tritt. Das persönliche Schicksal des Künstlers kann dazu noch manches erklären, aber erst dann, wenn man mit dieser fundamentalen Einsicht an Werk und Lebenslauf des Schaffenden herangeht.“ Nur die schaffende Person, die aus diesem „Blutstrom“ heraus tätig war, galt für Resatz als Künstler. „Je ungebrochener, flüssiger, ungetrübter die Darstellung ist, um so voller, elementarer tritt das Urbild dieser Rasse in Erscheinung. Und dem Künstler wird dies am besten gelingen, der am tiefsten in der Rasse verwurzelt ist und durch das Glück der äußeren und inneren Umstände am ungestörtesten im Rhythmus seiner Rasse zu schwingen vermag.“ In seiner Schlussfolgerung hob Resatz seine Gedanken schließlich auf die Ebene der gesamten Kunst eines Volkes. „Und so wie der Künstler aus den Ufern seines Blutstromes nicht herausbrechen kann, ohne dabei den Kerngehalt seines Werkes heillos zu verfälschen, so kann die Kunst einer Rasse nie gewisse Grenzen überschreiten, ohne zu entarten.“ Der Schulleiter führte weiter aus, dass die „Entartung“ im deutschen Kunstleben unleugbar Einzug gehalten habe und erst mit der nationalsozialistischen Machtübernahme effektiv bekämpft worden sei, um schließlich die Frage nach den Verantwortlichen für diese Entwicklung aufzuwerfen. „Die landläufige Antwort ist, daß die Juden mit Hilfe dieser Machwerke die deutsche Kunst zerstören wollten, um damit den Geschmack des Volkes zu verderben, um es leichter beherrschen zu können. Das ist an sich völlig richtig, nur haben das vor den Juden schon andere mit einer anderen Art von Kunst getan. Die Juden waren, wie im politischen Leben, nur die Totengräber. Daß aber die Juden mit einer solchen Frechheit diese Machwerke in den Vordergrund stellen konnten, war erstens ein Beweis ihrer politischen Macht, aber auch ein Beweis für den mangelnden Mut und die innere Unsicherheit der nichtjüdischen Künstlerschaft. (…) Wäre das Volk nicht zuerst von den Fürsten und dann von den Kapitalisten schamlos ausgebeutet und durch diese Ausbeutung in eine äußere und innere Verwahrlosung getrieben worden, hätten die marxistischen Lehren nie Widerhall und Avantgardisten gefunden. Wäre die blut- und bodenverbundene Volkskunst nicht mit allen Mitteln der Gewalt bekämpft und die entwurzelten Begabungen durch falsche Lehren verdorben worden, so wäre es unmöglich gewesen, daß nur irgendein Künstler den Einflüsterungen der Juden und Judengenossen erlegen wäre. So wie der Kapitalismus Schrittmacher des Bolschewismus ist, so war der akademische Kanon Schrittmacher für die entartete Kunst.“ Am Ende seiner ideologischen Ausführungen, dem die Erläuterung des pädagogischen Konzepts der Werkschule Gloggnitz folgte, zu dem ganz zentral die Arbeit mit Handpuppen zählte, sah Gustav Resatz sich bemüßigt, die auf die Leserschaft manchmal durchaus radikal wirkenden Forderungen zu untermauern, indem er über seinen eigenen nationalsozialistischen Hintergrund anmerkte: „Außer dem Radikalismus und der Kompromißlosigkeit haben wir ‚Illegalen‘ in der Ostmark nichts gelernt.“

Resatz‘ Gedanken, die primär die Abkehr von der akademischen Kunst und die Rückkehr zur Handwerkskunst im Blick haben, wurden als „grundgescheites Buch“ gelobt, dessen „Verfasser, ein Bekenner und Streiter Adolf Hitlers“, sich seit Jahren offen „gegen jene Entartung der Kunst“ gestellt habe, „die geschickt daran arbeitete, die im Deutschen steckenden inneren Werte gründlich zu zerstören, dem deutschen Volk seinen inneren Halt zu nehmen“. Von der Wissenschaft wurde die Schrift bislang nicht rezipiert.

Der Unterricht in der Werkschule, als deren vordringliche Aufgabe Resatz „eine grundlegende Neugestaltung des Kunsthandwerks“ bezeichnete, um so „Voraussetzung und Ausstrahlungspunkt für die wahrhaft deutsche Kunst zu sein“, begann im Oktober 1943 mit dem ersten einjährigen Lehrgang für Kriegsversehrte, „denen die Anstalt zu einem beglückenden und ihr Leben erfüllenden Schaffen verhelfen will“. Einem Journalisten zufolge, der beim Pressetermin am 19. Oktober anwesend war, wurden in der Werkschule primär Gegenstände hergestellt, „die dem Bedürfnis und der Notwendigkeit des Lebens unseres Volkes entsprechen“, darunter „Leuchter für Lebensfeiern, wertvolles Andenkengut, geschmackvolle Türschilder, Preise für sportliche Wettkämpfe, Truhen, Ahnenschreine, Lampen“ und anderes. „Auf diese Weise soll die Kunst wieder zurückfinden zu ihren (sic) eigentlichen Zweck: Mittel zu sein zur Steigerung und Vertiefung des festlichen Lebens der Gemeinschaft.“ Die Werkschule war Resatz‘ programmatisch-ideologischen Überlegungen entsprechend nicht nur zur Schulung handwerklicher Fertigkeiten gedacht, sondern ganz klar als nationalsozialistische Bildungsanstalt konzipiert. „Auch auf das politische Gebiet wird sich zwangsläufig diese Erziehung erstrecken, weil auch das politische Wollen ein Teil dieser Ganzheit ist, und weil es nicht angeht, daß ein deutscher Künstler dem politischen Geschehen verständnislos oder gar ohne jede Teilnahme und ohne Interesse gegenübersteht.“ Anlässlich der 850-Jahr-Feier von Gloggnitz im Mai 1944, bei der Puppenköpfe und Holzstatuen von Gustav Resatz ausgestellt waren und die Eröffnung von Städtischen Puppenspielen angekündigt wurde, wurde in den Zeitungen noch einmal über die Werkschule und die mit ihr verbundenen großen Pläne der Verantwortlichen berichtet. Für die zwölf Monate bis Kriegsende fehlen weitere Informationen. Im veröffentlichten Lebenslauf von Gustav Resatz ist die Rede davon, dass die Werkschule Gloggnitz ebenso wie der weitaus größte Teil des Privatbesitzes des Künstlers, darunter die in der erwähnten Ausstellung gezeigten Kunstwerke sowie schriftliche Aufzeichnungen, im Zuge der Kriegshandlungen am 1. April 1945 vernichtet wurden. Auch das beinahe fertige Manuskript „Begabung und Charakter“, das Resatz in den späten 1920er Jahren begonnen und dessen baldiges Erscheinen er in seiner Publikation 1943 angekündigt hatte, wurde vernichtet.

 

Entnazifizierung

Gustav Resatz flüchtete Anfang April 1945 gemeinsam mit seiner schwangeren Ehefrau Luise, einer aus Holstein stammenden Märchenschriftstellerin, und den drei Kindern vor der heranrückenden Roten Armee in den Westen, er meldete sich behördlich am 1. September 1945 in Kramsach in Tirol an. Am 29. März 1946 gab er bei der dortigen Gemeinde das Meldeblatt zur Registrierung der Nationalsozialisten ab, in dem er angab, von „Juni 1939“ bis „zum Zusammenbruch“ Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Am 8. Juli 1946 richtete das Landesgendarmeriekommando für Tirol eine (im Akt nicht erhaltene) Anfrage das politische Verhalten Gustav Resatz‘ betreffend an die Bundespolizeidirektion Wien. Diese Anfrage setzte ein langwieriges Verfahren in Gang, das die Behörden der Bundeshauptstadt Wien und der Bundesländer Tirol und Niederösterreich mehrere Jahre beschäftigten sollte und auf das an dieser Stelle aufgrund ihres paradigmatischen Charakters in Bezug auf den Umgang mit ehemaligen (illegalen) NSDAP-Mitgliedern im Nachkriegsösterreich ausführlicher eingegangen wird. Die Polizeidirektion Wien brachte den Tiroler Stellen die Resatz betreffenden Informationen aus den „ho. aufliegenden nationalsozialistischen Akten“, gemeint sind die heute im Archiv der Republik einliegenden Gauakten, zur Kenntnis. Die Mitteilung, dass Resatz seit 1. Juni 1931 Mitglied der NSDAP mit der Nummer 510.508 und seit Juli 1938 auch Mitglied der NSV, einem Schreiben der Kreisleitung 1 der NSDAP Wien zufolge ein „alter, verdienstvoller Kämpfer“ der NSDAP und seit 1. Oktober 1939 Mitarbeiter im Kreispropagandaamt war, entlarvte den Bildhauer und überführte ihn der nach dem Verbotsgesetz unter Strafe stehenden Falschregistrierung. Außerdem informierten die Wiener Beamten die Tiroler Kollegen, dass Resatz gemeinsam mit zwei weiteren Nationalsozialisten 1941 von der Partei die von ihnen vorgestreckten Schulden durch die Herausgabe der „Ostdeutschen Heimat“ in Höhe von 1.270,- RM rückerstattet bekommen habe. „Die Bundespolizeidirektion Wien wurde beauftragt, im Gegenstande weitere Erhebungen zu pflegen und das Ergebnis unmittelbar der Sicherheitsdirektion bekanntzugeben.“ Bei seiner ersten Einvernahme durch das Gendarmeriepostenkommando von Rattenberg im Bezirk Kufstein Ende September 1946 wurde Gustav Resatz mit dem Schreiben aus Wien konfrontiert, er bestätigte seine Mitgliedschaft bei der NSDAP seit 1931 und jene bei der NSV sowie die Herausgeberschaft der „Ostdeutschen Heimat“, verneinte jedoch den Erhalt einer Zahlung. Und er relativierte wie viele andere ehemalige Parteigenossen – unter Auslassung des Großteils der oben angeführten Tätigkeiten und Funktionen – seine Rolle in der NS-Zeit. „Eine Funktion bei der Partei oder einer ihrer Gliederungen habe ich nicht bekleidet und war gegen Andersgesinnte nicht gehässig oder habe jemanden in irgend einer Weise geschädigt. Ich habe mich hauptsächlich nur dem Puppenspielen gewidmet und dabei keinerlei Vorteile von der Partei erhalten.“ Ordnungsgemäß erstattete der Gendarmerieposten Anzeige gegen Resatz nach dem Verbotsgesetz beim Bezirksgericht Rattenberg. Die Staatsanwaltschaft in Wien stellte schließlich Ende November den Antrag auf Einleitung von Vorerhebungen. Sie ordnete die üblichen Erhebungen über den politischen Leumund des Beschuldigten, Vorstrafen, seine Wohnorte seit 1933, die Befragung Dritter über seine politischen Aktivitäten und darüber hinaus über die Vorgänge bei der „Ostdeutschen Heimat“ an. In den folgenden Monaten waren mehrere Behörden in ganz Österreich damit beschäftigt, diese Informationen – sie decken sich mit obiger Rekonstruktion der Biografie von Gustav Resatz – beizubringen. In einer Vernehmung vor dem Bezirksgericht Rattenberg gab der Beschuldigte zwar neuerlich seine illegale Mitgliedschaft zur NSDAP zu, bestritt jedoch den Vorwurf, Geld von der NSDAP aufgrund der Schulden der „Ostdeutschen Heimat“ bekommen zu haben. Die Behörden führten weitere Untersuchungen in diesem Punkt durch, im weiteren Verfahren tauchte dieser Vorwurf jedoch nicht mehr auf. Im März 1947 fragte der Wiener Staatsanwalt beim Bürgermeister von Kramsach an, ob Resatz seine (falschen) Angaben bei der NS-Registrierung zwischenzeitlich ergänzt habe. Da der Bürgermeister in seiner Antwort dies verneinte, erhob die Staatsanwaltschaft Wien am 12. April 1947 Anklage gegen Gustav Resatz wegen des Verbrechens des Hochverrates aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP in der Verbotszeit (§ 8 VG) und wegen des Verbrechens des Betruges aufgrund seiner Falschregistrierung (§ 10 VG). Das Volksgericht in Wien selbst fragte im Mai 1947 noch einmal beim Bürgermeisteramt in Kramsach an, ob Resatz sich habe „nachregistrieren lassen“. Die Antwort, „dass sich der Obengenannte nicht nachregistrieren liess“, kam zwei Monate später von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein. Da Resatz mit seiner „kränklichen Frau und vier Kindern im Alter von 1½, 4, 7 und 9 Jahren in den dürftigsten Verhältnissen in Kramsach“ lebe und seine Gesundheit „ebenfalls angegriffen“ sei, beantragte sein Verteidiger, Dr. Hans Waldbauer aus Kufstein, im Namen seines Mandanten Ende Juni die Abtretung des Verfahrens von Wien an das Landesgericht Innsbruck als Volksgericht. Resatz habe sich bislang „durch Erfüllung kleiner Bildhaueraufträge (Holzschnitzereien) durchgebracht und habe jetzt Aussicht einträglichere Aufträge für kirchliche Zwecke“ zu erhalten. Im Schreiben vergaß der Anwalt nicht darauf hinzuweisen, dass sein Klient „auch während der Nazizeit kirchliche Aufträge durchgeführt“ habe, ohne diese jedoch näher zu spezifizieren. (Im Zuge der Recherchen konnten keine kirchlichen Arbeiten eruiert werden, die in der NS-Zeit entstanden wären. Eine Werkliste des Bildhauers existiert nicht.) Aus diesen Gründen seien „eine Reise nach Wien und der erforderliche längere Aufenthalt unerschwinglich“. Zudem sei Resatz „vollkommen geständig, Beweisaufnahmen werden nicht notwendig sein, sodass eine besondere Belastung des delegierten Gerichtes nicht in Frage kommt“. Das Volksgericht leitete den Antrag an die Staatsanwaltschaft weiter und bat um Äußerung, die folgendermaßen ausfiel: „Dem Delegierungsantrage des Besch[uldigten] stimme ich aus den in seinem Gesuche angegebenen Gründen zu.“ Der Oberste Gerichtshof übertrug das Verfahren gegen Gustav Resatz offiziell am 30. November 1947 an das Landesgericht Innsbruck als Volksgericht und veranlasste die Übermittlung sämtlicher bislang gesammelter Akten, die am 5. Dezember 1947 in Innsbruck eintrafen. Aufgrund dieser Übertragung befindet sich der gesamte Volksgerichtsakt von Gustav Resatz heute im Tiroler Landesarchiv. Am 9. Dezember 1947 um 10.00 Uhr wurde die Hauptverhandlung gegen Resatz wegen §§ 8 und 10 Verbotsgesetz unter dem Vorsitz von Oberlandesgerichtsrat Dr. Pfandler angesetzt. Zu dieser Verhandlung – im Schriftstück ist kurioserweise nur mehr der § 8 VG angeführt! – erschien Resatz jedoch nicht. „Der Verteidiger legt ein ärztliches Zeugnis vor, das die Krankheit des Angeklagten bestätigt u. sein Fernbleiben rechtfertigt u. beantragt Vertagung der Verhandlung. Der St.A [Staatsanwalt; Anm. d. Verf.] spricht sich nicht dagegen aus. Beschluß auf Vertagung der Verhandlung auf unbestimmte Zeit. Ende 10.15.“ Das Attest des Sprengelarztes von Brixlegg nannte „schweren Brechdurchfall“ als Krankheitsbild, Resatz sei „hochfiebernd und bettlägrig“. Aus der Zusammenschau der Akten drängt sich der Eindruck auf, Resatz / Waldbauer spielten von Beginn an auf Zeit, denn bereits vier Wochen später, am 6. Jänner 1948 brachte der Rechtsanwalt im Namen seines Klienten ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten Karl Renner ein. Waldbauer fasste den Sachverhalt zusammen und führte aus: „Er [Resatz; Anm. d. Verf.] hat ein vorbehaltloses Geständnis abgelegt und zu seiner Entschuldigung angeführt, er habe sich aus Angst eingesperrt zu werden und seine Familie in grösster Not zurücklassen zu müssen zu dieser Falsch-Registrierung entschlossen. Die Nachfrist habe er ungenützt verstreichen lassen in der Meinung, dass er durch dieses, bereits ein halbes Jahr vorher im Zuge gerichtlicher Vorerhebungen abgelegte Geständnis, den begangenen Fehler gutgemacht habe.“ Außerdem sei Resatz ein „ernst zu nehmender und von gutem (sic) Idealen erfüllter Künstler. Er führt ein vorbildliches, ja geradezu rührendes Familienleben.“ Ganz im Unterschied zu den tatsächlichen Äußerungen des Bildhauers vor und während der NS-Zeit über das Wesen der Kunst, ihre Aufgaben und das Ziel der Werkschule Gloggnitz, hielt Waldbauer fest: „Der Angeklagte hat während der Nazizeit seine künstlerische Auffassung nicht geändert, sich dagegen gewehrt, die Kunst zum Propagandamittel herabzuwürdigen.“ Resatz sei daher auch nur aus „Idealismus“ zur NS-Bewegung gestoßen, er habe „die verkündeten Ideale in einem ehrlichen und anständigen Sinne aufgefasst (…) und sich von dem ‚Geistesgute‘ des Nationalsocialismus (sic) innerlich sofort abgewendet (…), als ihm dessen Verlogenheit klar geworden ist. Trotz Parteiabzeichens war er eben kein Nationalsozialist – dafür spricht seine Lebensführung, seine Treue zur Familie, seine aufrechte künstlerische Haltung und insbesondere auch der Umstand, dass er sich immer auch der kirchlichen Kunst gewidmet und darin anerkannte Leistungen vollbracht hat. Der Angeklagte stellte (sic) zur Zeit eine Krippendarstellung für die Stadtpfarrkirche in Homburg fertig.“ Genauere Angaben über die angedeuteten während der NS-Zeit geschaffenen kirchlichen Werke machte der Rechtsanwalt jedoch erneut keine. „Ich stelle für den Angeklagten die Bitte, im Gnadenwege das Verfahren niederzuschlagen“, so Waldbauer. Der Antrag umfasste mehrere Beilagen, darunter war auch ein Brief an den Bundespräsidenten von Gustav Resatz‘ Ehefrau Luise, den diese bereits im Mai 1947 an die Präsidentschaftskanzlei geschickt hatte. Gleich zu Beginn ihres Schreibens versuchte sie Karl Renner, der die NS-Zeit in Gloggnitz verbracht hatte, mit dieser biografischen Parallele für ihre Sache zu gewinnen, um daran anschließend einerseits die Rolle ihres Mannes im NS-System und seine politische Überzeugung kleinzureden und andererseits auf die Folgen einer Verurteilung für die Familie hinzuweisen. Sie bat Renner, „sofern dies irgend möglich sein sollte“, seine „Hand schützend über sechs Menschen zu halten, die ein solch unmenschliches Schicksal nicht verdient haben“, schließlich sei die Falschregistrierung nur „ein Akt der Notwehr“ gewesen, „um den Kindern und mir nicht den Erhalter des Lebens zu entziehen“. Wohl gewichtiger als der Brief der Ehegattin war ein Schreiben des Salzburger Fürsterzbischofs DDr. Andreas Rohracher, der das Gnadengesuch in der Überzeugung empfahl, „dass der Genannte innerlich kein Nationalsozialist war bezw. die Parteizugehörigkeit von der rein ideellen Seite aufgefasst hat und wie soviele andere der Propaganda erlegen sind (sic). Der Bittsteller ist ein ernst zu nehmender Künstler.“ Eine Reaktion des Bundespräsidenten ließ zunächst auf sich warten. In der Zwischenzeit legte Dr. Pfandler als Termin für die neuerliche Hauptverhandlung den 12. März 1948 um 8.30 Uhr fest. Vermutlich weil das Gnadengesuch noch nicht beantwortet war, beantragte Waldbauer im Namen von Resatz eine neuerliche Vertagung und schob eine aus heutiger Sicht fadenscheinige Erklärung vor. „Zur Begründung führe ich an, dass ich an einem kirchlichen Kunstwerk arbeite, dessen Vollendung ich dringend bewerkstelligen muss. (…) Es handelt sich hierbei um ein anerkanntes und hochwertiges Kunstwerk [die bereits oben genannte Krippe für Bad Homburg; Anm. d. Verf.], das nicht mehr vollendet werden könnte, wenn ich im Falle meiner Verurteilung an der Fortsetzung der Arbeit gehindert würde. Eine solche Dringlichkeit für rasche Durchführung der Hauptverhandlung liegt nicht vor. (…) Ich werde in 2 höchstens 3 Monaten in der Lage sein, das Kunstwerk abzuliefern und bitte daher, mir diese Frist zu gewähren.“ Ein Gutachten des Leiters des Tiroler Volkskunst-Museums und ein Schreiben des Linzer Salesianerpaters Siegfried Hornauer hatten auf Aufforderung von Waldbauer hin Resatz zuvor schriftlich als bedeutenden Künstler kirchlicher Werke empfohlen. Zwar ist dies nicht in den Akten überliefert, doch auch dieser zweite Termin wurde abberaumt, da die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Volksgericht ebendort Mitte März 1948 bat, die Gnadenwürdigkeit von Gustav Resatz durch die Gendarmerie Rattenberg und die Polizeidirektion überprüfen zu lassen. Die Polizeidirektion Wien fasste daraufhin zum wiederholten Male die bekannten und aktenkundigen Fakten über die NS-Vergangenheit von Gustav Resatz zusammen, wobei aber nun ein durchaus milder Ton in der Beurteilung des Angeklagten angeschlagen wurde. Daraufhin mussten die beteiligten Personen und Institutionen ein halbes Jahr warten, ehe vom Bundespräsidenten via das Ministerium für Justiz per Erlass vom 9. November 1948 bekannt gegeben wurden, „daß dem Gnadengesuche Gustav Resatz (…) keine Folge gegeben wurde“. Gründe für diese Entscheidung wurden nicht angeführt. Der Anberaumung eines dritten Termins für die Hauptverhandlung stand damit nichts mehr im Wege, Dr. Pfandler setzte sie für den 11. Jänner 1949, 15.30 Uhr fest. Zu dieser Verhandlung erschien Resatz, der in der Zwischenzeit mit seiner Familie von Kramsach nach Piesendorf übersiedelt war, erneut nicht. „Der Verteidiger legt ärztliches Zeugnis des Dr. med. Adolf Tschikof [vor] und ersucht den Angeklagten amtsärztlich auf seine Verhandlung- bzw. Reisefähigkeit untersuchen zu lassen.“ Das angesprochene ärztliche Zeugnis des Gemeindearztes von Mittersill im Pinzgau war minimalistisch, es bestand aus einer handgeschriebenen Notiz auf einem Block des Arztes ohne Unterschrift, Ort und Datum, darin war zu lesen, dass Resatz „an einem pararektalen Abszeß“ und einer „vaszidierenden Mastdarmfistel“ leide. Der Staatsanwalt stimmte dem Antrag des Verteidigers zu, der Richter veranlasste die Feststellung der Verhandlungs- und Reisefähigkeit des Angeklagten, die Hauptverhandlung wurde neuerlich auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Amtsarzt von Zell am See bestätigte das Krankheitsbild und erklärte: „Bis Mitte Februar wird Reise- und Verhandlungsfähigkeit gegeben sein.“ Offenbar versuchte Resatz, der nächsten Hauptverhandlung, für die bis zu diesem Zeitpunkt kein neuer Termin festgelegt war, zu entgehen, indem er mit seiner Familie von Tirol ins Bundesland Salzburg nach Piesendorf übersiedelte, wodurch sich durch seinen Anwalt ein Antrag auf Abtretung des Verfahrens an das für Salzburg zuständige Landesgericht als Volksgericht Linz stellen hätte lassen. Der Tiroler Richter Pfandler wandte sich denn auch direkt an den Verteidiger Waldbauer. Er „wurde informiert, daß Ihr Klient Gustav Resatz (…) einen Delegierungsantrag einbringen will“ und bitte um „umgehende Verständigung, ob dies richtig“ sei. Möglicherweise fühlten sich Resatz / Waldbauer in diesem Schachzug durchschaut, denn Waldbauer stellte keinen derartigen Antrag, die Behörden in Innsbruck blieben demzufolge weiterhin zuständig. Statt des Delegierungsantrags brachte der Rechtsanwalt am 15. März 1949 jedoch einen Beweisantrag ein. Resatz schilderte in diesem Schreiben seine familiäre und wirtschaftliche Notlage, die ihn zur Falschregistrierung verleitet habe. „Bei der damaligen politischen Lage hätte die richtige Angabe meines Eintrittsdatums in die NSDAP so gut wie automatisch die Internierung auf der Festung Kufstein zur Folge gehabt. Dass ich die moralische Verpflichtung in mir fühlte, meiner körperlich total niedergebrochenen, durch die Flucht aus der Heimat und den Verlust der Existenz seelisch schwer erschütterten Frau, die mit einem einige Wochen alten Säugling und 3 Kindern im Alter zwischen 4 und 8 Jahren ohne mich schutzlos einem Bettlerdasein ausgeliefert gewesen wäre, die einzige Stütze um jeden Preis zu erhalten, ist begreiflich.“ Es wurde beantragt, „Dr. Richard Seeger, damals Bezirkshauptmann in Kufstein, jetzt Magistratsdirektor in Salzburg“ und eine weitere Person als Zeugen einzuvernehmen. Eindeutiges Ziel dieses Schachzugs war das Hinauszögern der Hauptverhandlung, für die zu diesem Zeitpunkt noch kein Termin angesetzt war. Zwar erklärte der Staatanwalt, dass er dem Beweisantrag „wegen Unerheblichkeit entgegentreten“ werde, der Richter veranlasste jedoch die unbeeidete Einvernahme der beiden genannten Zeugen durch das Salzburger Bezirksgericht. Die Behördenwege waren lang, denn die Zeugenladung des Bezirksgerichts an Seeger via die Magistratsdirektion Salzburg erreichte dieselbe erst mehr als drei Wochen später am 19. Juli. Da sich Seeger bis „anfangs August auf Urlaub befindet und von Salzburg abwesend ist, kann der Aufforderung erst dann nachgekommen werden“, so Dr. Neuhardt aus der Magistratsdirektion. In der schließlich am 8. August 1949 am Bezirksgericht Salzburg vorgenommenen Zeugenvernehmung erklärte Seeger, er habe in seiner Zeit als Bezirkshauptmann von Kufstein Resatz „als hervorragenden Künstler schätzen gelernt“. In der Folge beschrieb er die kargen Verhältnisse, in denen die Familie Resatz in Kramsach lebte. Die Aussage Seegers wurde scheints kommentarlos dem Akt hinzugefügt, die Aussage der zweiten Person ist nicht erhalten. Sechs Wochen später setzte Richter Pfandler ein viertes Mal einen Termin für eine Hauptverhandlung fest, diesmal für den 18. Oktober 1949, 9.30 Uhr. Die von Waldbauer und Resatz praktizierte Verzögerungstaktik trug nun die erhofften Früchte, denn das politische Klima in Österreich hatte sich in den zurückliegenden Monaten entscheidend in Richtung soziale und politische Wiedereingliederung der ehemaligen Nationalsozialisten geändert – primär aus politischem Kalkül, durfte doch der Großteil der seinerzeitigen Parteigenossinnen und -genossen als „minderbelastet“ bei den in diesen Herbsttagen abgehaltenen Wahlen am 9. Oktober 1949 wieder ihre Stimme abgeben. In diesem reintegrativen Kontext ist wohl auch das Verhalten der Staatanwaltschaft Innsbruck zu interpretieren. In zwei nicht erhaltenen Schreiben informierte sie einerseits Resatz über die gesetzliche Möglichkeit der Einbringung eines Gesuchs um Einzelbegnadigung beim Bundespräsidenten und veranlasste andererseits die Abberaumung der für 18. Oktober angesetzten Hauptverhandlung beim Landesgericht Innsbruck. Die Rückfrage des Bildhauers an die Staatsanwaltschaft, in der er sich auf das erstgenannte Schreiben berief, liegt dem Akt ein. Er könne die gesetzte Frist von 14 Tagen nicht einhalten, da er nicht mehr in Kramsach wohne, er habe aber alles Erforderliche in die Wege geleitet. „Sowie ich die Bestätigung von der Registrierungsbehörde erhalte[,] sende ich das Gnadengesuch ab.“ Ebendieses datierte zwar bereits mit 16. Oktober, langte aber erst am 29. Oktober 1949 bei der Innsbrucker Staatsanwaltschaft ein. Darin bat Resatz um „Niederschlagung des Verfahrens auf Grund des Art. 65, Abs. 2 lit. c Bundesverfassungsgesetz (Einzelbegnadigung)“. Das zitierte Gesetz ermöglicht seit der Gesetzesreform 1929 dem Bundespräsidenten in Einzelfällen „die Begnadigung der von den Gerichten rechtskräftig Verurteilten, die Milderung und Umwandlung der von den Gerichten ausgesprochenen Strafen, die Nachsicht von Rechtsfolgen und die Tilgung von Verurteilungen im Gnadenweg, ferner die Niederschlagung des strafgerichtlichen Verfahrens bei den von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlungen“. Zu guter Letzt machte sich die Übersiedlung des Bildhauers ins Bundesland Salzburg doch noch bezahlt, denn er legte dem Gnadengesuch nicht die beglaubigte Kopie seines Registrierungsblattes aus Kramsach bei, in der er ja falsche Angaben über seinen Beitritt zur NSDAP gemacht hatte, sondern füllte am 27. Oktober 1949 das Meldeblatt zur Verzeichnung der Nationalsozialisten gemäß § 4 des Verbotsgesetzes 1947 mit dem korrekten Beitrittsdatum 1. Juni 1931 und der korrekten Mitgliedsnummer 510.508 in Hummersdorf aus. Der Gemeindevorsteher von Piesendorf bestätigte in der Folge die ordnungsgemäße Registrierung. Am 30. Oktober stellte der Staatsanwalt an das Volksgericht den „Antrag, die Verhandlung gegen Gustav Resatz (…) vorerst nicht auszuschreiben. Der Akt wird hier für ein Gnadenverfahren benötigt.“ Nachdem der Akt beinahe zwölf Monate liegen geblieben war, brauchte Gustav Resatz zu guter Letzt auch nicht mehr auf die Gnade des Bundespräsidenten, der ihm diese ja bereits einmal verwehrt hatte, hoffen, denn der Nationalrat beschloss im Juli 1950 das Bundesgesetz „über die Einstellung von Strafverfahren, die Nachsicht von Strafen und die Tilgung von Verurteilungen aus Anlaß der fünften Wiederkehr des Tages der Befreiung Österreichs (Amnestie 1950)“. Anfang Oktober 1950 bestätigte das Strafregisteramt in Wien IX. der Staatsanwaltschaft Innsbruck, dass gegen Resatz keine mitzuteilenden Strafen vorlägen, daraufhin entwarf Richter Pfandler handschriftlich das jüngste im gesamten Volksgerichtsakt von Gustav Resatz einliegende Schreiben, datiert vom 21. Oktober 1950, wonach das Verfahren gegen den Bildhauer „über Rücktritt des öffentlichen Anklägers von der Anklage (§ 1 Amnestiegesetz 1950) (…) eingestellt“ wurde. Der ehemals Angeklagte, die Bezirkshauptmannschaft Kufstein und das Strafregisteramt erhielten eine entsprechende Mitteilung. Gustav Resatz war es mit Hilfe seines Verteidigers gelungen, von der Anklageerhebung im April 1947 bis zur Einstellung des Verfahrens im Oktober 1950, also in 3½ Jahren, trotz viermaliger Festsetzung eines Verhandlungstermins für seine NS-Betätigung nie vor Gericht zu erscheinen und daher auch nie verurteilt werden zu können.

 

Nachkriegszeit

Wie bereits mehrfach ausgeführt, wandte sich Gustav Resatz in seinem Nachkriegsschaffen vornehmlich der christlichen Kunst zu. In Kramsach etwa schnitzte er 1947 die in mehreren Schreiben angeführte Krippe, die sich heute in der katholischen Pfarrkirche St. Marien im deutschen Bad Homburg befindet. Nach seiner Übersiedlung nach Piesendorf fand er im Pfarrer von Lend, Josef Tomaschek, einen Fürsprecher, der dem Künstler eine Reihe von Auftragsarbeiten vermittelte, so z. B. 1950 in Lend die Figuren des Hl. Michael mit dem Teufel für das Kriegerdenkmal, einen Krippenbaum und 1958 die Madonnenstatue in der Lourdes-Kapelle am Friedhof, die zu Ehren der Geschäftsführer der Salzburger Aluminiumwerke Lend, Dr. Heinrich von Boschan und Dr. Anton Brenner, errichtet wurde. In einem in den 1950er Jahren erschienenen Artikel wurde Resatz als „einer der berühmtesten Krippenkünstler Österreichs“ tituliert, die „Schöpfungen des Meisters aus Piesendorf, der es versteht, den Zauber der Weihnacht in uns lebendig zu machen“, wurden über die Maßen gelobt. 1957 zeichnete Resatz für die künstlerische Ausgestaltung der evangelischen Auferstehungskirche in Zell am See verantwortlich. Für den Stephansdom in Wien schuf er einen Adventleuchter und ein Ministrantenkreuz. Parallel zu den genannten plastischen Arbeiten entstanden in dieser Zeit die zwei Märchenbücher „Kasperl als Fischer. Das tapfere Schneiderlein“ und „Der goldene Schlüssel. Der verhexte Korb“, die im Österreichischen Bundesverlag verlegt wurden. Hingegen fehlen dafür, dass Resatz seine ehemalige Passion, das Handpuppenspiel, nach 1945 wieder aufnahm, bislang Anhaltspunkte. 1949 wurde auch sein Buch „Kasperl-Geheimnisse“ in einer politisch gesäuberten Bearbeitung durch den oben genannten Siegfried Hornauer, einen Mönch der Salesianer Don Boscos aus Linz, mit einem Umfang von 131 Seiten im Fährmann Verlag in Wien neu aufgelegt.

Im Jänner 1959 – nach angeblich insgesamt neun Übersiedelungen seit 1945 – meldeten Resatz und seine Frau sich von Piesendorf kommend in der Stadt Salzburg in der Adam-Müller-Guttenbrunn-Straße an, sie zogen bereits nach wenigen Monaten in die Schikanederstraße. Als letztes Werk vollendete der Künstler kurz vor seinem Tod den Krippenbaum der Pfarrkirche Herrnau, wohin Josef Tomaschek 1960 als Seelsorger bzw. Pfarrer versetzt worden war. Gustav Resatz starb am 17. November 1962 in der Stadt Salzburg. „Hellsichtiges Leiden unter den Negativismen unseres technischen Zeitalters, größte künstlerische und darum menschliche Einsamkeit und Bitterkeit und ein nicht endenwollender Existenzkampf zerstörten seine Lebenskraft“, befand der Texter der Broschüre für die Resatz gewidmete Gedächtnisausstellung 1964, in der auch eine philosophische Abhandlung des verstorbenen Künstlers in der Bearbeitung seiner Witwe abgedruckt war.

 

Straßenbenennung

Im Herbst 1968 sandte Dr. Friederike Prodinger vom Salzburger Museum Carolino Augusteum dem Kulturamt der Stadt im Namen der Witwe von Gustav Resatz ein Exemplar des Katalogs zur Gedächtnisausstellung, die vier Jahre zuvor stattgefunden hatte. „Außerdem bittet Frau Resatz um Verständigung, wenn eine endgültige Entscheidung bezüglich der Benennung eines Weges nach ihrem Gatten getroffen worden ist. Ich darf auch den Dank der Familie weiterleiten, die hocherfreut ist, daß die Erinnerung an den außerordentlichen Menschen Gustav Resatz auf diese Weise erhalten werden soll.“ Prodinger hatte dem Kulturamt gegenüber offensichtlich bereits zuvor die Anregung gegeben, eine Straße nach Resatz zu benennen. Möglicherweise stand dieses Schreiben auch im Zusammenhang mit der etwa zeitgleich im Stadtsenat und im Gemeinderat eingebrachten Forderung des FPÖ-Klubs, einer neu zu benennenden Straße in Herrnau nicht den Namen des seinerzeit geflüchteten und 1950 nach Salzburg zurückgekehrten jüdischen Künstlers Felix Albrecht Harta zu geben, sondern sie nach Gustav Resatz zu benennen. Die „Felix-Harta-Straße“ wurde schließlich gegen die Stimmen der FPÖ vom Gemeinderat beschlossen. Knapp drei Jahre später debattierte der Unterausschuss des Gemeinderates in seiner Sitzung vom 13. Juli 1971 annähernd 30 Vorschläge zur Neubenennung von Straßen im Stadtgebiet, darunter war auch ein „kurzer Straßenzug zw. Aignerstraße und Glaserstraße (nur durch kleine Siedlung führend ohne Verbindung zur Glaserstr.)“, der den Namen „Resatzstraße“ erhalten sollte. In der Begründung war zu lesen, dass Gustav Resatz ein „bekannter Bildhauer“ gewesen sei, „der nach dem 2. Weltkrieg hier lebte und starb. (Ein Benennungsvorschlag wurde vom Museum C.A. 1968 eingebracht). Der Straßenzug befindet sich in der Gegend der Künstlerbenennungen.“ Dem Amtsbericht vom 22. Juli lag eine Erläuterung zur Biografie des Straßennamengebers bei, die sämtliche NS-Bezüge der angeführten Leistungen verschwieg: „Gustav Resatz (…) wirkte 1943 beim Aufbau der Bildhauerschule ‚Werkschule Glognitz‘ (sic) (vorwiegend Holzbildhauerei) mit; war auch als Puppenspieler tätig, verfaßte ein Handbuch für Puppenspieler und verschiedene Broschüren über bildende Kunst. Im 2. Weltkrieg hatte er seinen ganzen Besitz und eine große Anzahl fertiger Plastiken durch Brandkatastrophe verloren. Er begann nach 1945 eine neue bildhauerische Tätigkeit und übersiedelte 1951 (sic) nach Salzburg. Seine Werke waren von tiefer Mystik und Schwermut getragen.“ Nach der Behandlung der Vorschlagsliste neuer Straßennamen in der Sitzung des Stadtsenates am 16. August erfolgte der einstimmige Beschluss im Gemeinderat (18 SPÖ, 11 ÖVP, 8 FPÖ) am 29. September 1971.