Anna Bahr-Mildenburg

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Opernsängerin, Dramaturgin, Dozentin am Mozarteum

* 29. November 1872 in Wien

† 27. Jänner 1947 in Wien

Straßenbenennung: Mildenburggasse, beschlossen im Herbst 1935

Lage: Parsch; von der Bürglsteinstraße nach Süden.

 

Die Opernsängerin, Dramaturgin und Dozentin Kammersängerin Prof. Anna Bahr-Mildenburg wurde am 29. November 1872 in Wien als Tochter des k.k. Offiziers Major Theodor Bellschan von Mildenburg und seiner Ehefrau Anna, geborene Butsch, geboren. Ihr Großvater war der 1805 geborene Konzert- und Opernsänger Fidelis Butsch. Die Familie lebte zunächst in Wien, dann in Klagenfurt, später in Görz (damalige Gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca im Österreichischen Küstenland, heute Gorizia in Italien). Ab dem siebten Lebensjahr erhielt Anna von Mildenburg, damals noch in Klagenfurt, Klavier- und Gesangsunterricht bei Karl Weidt, in Görz von Helene Rieckhoff-Pessiack.

Im Alter von 17 Jahren nahm Anna von Mildenburg weiterhin in Görz regelmäßige Gesangsstunden, gegen elterliche Widerstände löste sie ihre Verlobung mit einem Leutnant und ging nach Wien. Auf Bitten ihrer Gesangslehrerin Rieckhoff-Pessiack hatte sie einen Anhörtermin beim Direktor der Wiener Hofoper Wilhelm Jahn erhalten, der sie an Rosa Papier-Paumgartner weiterempfahl. Bei dieser nahm sie Privatunterricht. Als Papier Professorin am Wiener Konservatorium wurde, nahm sie Mildenburg dorthin mit. Am Konservatorium erhielt Mildenburg bei August Stoll, Oberregisseur der Hofoper, erstmals dramatischen Unterricht. Dafür fehlte ihr anfänglich das Talent, die Koordination zwischen Gesang und Bewegung gelang nicht, die Sängerin wurde für „vollkommen bühnenunfähig“ gehalten. Dennoch wurde sie bereits 1895 von Bernhard Pollini für das Hamburger Stadttheater engagiert, wo sie unter der Regie von Gustav Mahler debütierte, der sie künstlerisch förderte und mit dem sie auch eine Beziehung einging. 1896 empfahl Mahler Mildenburg an Cosima Wagner. 1897 debütierte die Künstlerin bei den Bayreuther Festspielen als Kundry in Wagners „Parsifal“. 1898 folgte sie Mahler an die Wiener Hofoper nach. Bereits 1901 erhielt sie den Titel k.k. Kammersängerin. Sie gehörte dem Hofopernensemble bis 1917 an und war auch darüber hinaus bis 1930 an der Oper engagiert. Gastspiele führten sie nach Prag, London, Amsterdam, Brüssel und mehrmals zurück nach Bayreuth.

In Bayreuth lernte sie im September 1904 den Schriftsteller Hermann Bahr (1863–1934) kennen, den sie am 22. August 1909 in Salzburg-Aigen heiratete. Sie nahm den Doppelnamen Bahr-Mildenburg an. Die Wiener Hofoper hatte durch die Heirat die Möglichkeit, ihren Vertrag zu kündigen. Bahr-Mildenburg war ab diesem Zeitpunkt nur noch mit Gastspielverträgen an die Hofoper gebunden. Das Ehepaar lebte in Wien, übersiedelte 1912 nach Salzburg, wo sie den ersten Stock des Arenberg-Schlösschens mieteten, das fortan „zu einem bei Kunstschaffenden und Intellektuellen beliebten Treffpunkt wurde“.

Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Anna Bahr-Mildenburg als freiwillige Helferin im Reservespital und berichtete darüber als „Schwester Anna“ auch im „Salzburger Volksblatt“ sowie in ihren 1921 in Buchform erschienen „Erinnerungen“.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Anna Bahr-Mildenburg als Dozentin für Musikdramaturgie und als Gesangslehrerin tätig. 1918 übernahm sie einen Kurs am Neuen Wiener Konservatorium, gemeinsam mit ihrem Mann wohnte sie während dieser Zeit in Wien im Hotel Klomser in der Herrengasse. Im Studienjahr 1919/20 folgte die Leitung der „Opernschule“. Ab dem Jahr 1920 unterrichtete sie auch an der Akademie für Tonkunst in München, wo sie wenig später zur ordentlichen Professorin ernannt wurde. Auf Grund dieser Tätigkeit übersiedelte das Ehepaar Bahr-Mildenburg im Jahr 1922 dauerhaft von Salzburg nach München.

Anna Bahr-Mildenburg war auch als Regisseurin tätig, nicht nur bei Aufführungen ihrer Student*innen in München, sondern sie inszenierte etwa 1920 die Uraufführung eines Stückes ihres Ehemannes, „Der Unmensch“, in Berlin an den Kammerspielen sowie in der Spielzeit 1921/22 den kompletten „Ring des Nibelungen“ bei den Opernfestspielen im Nationaltheater und Prinzregententheater München. Das „Salzburger Volksblatt“ notierte zu ihrer Inszenierung des „Siegfried“ im Jänner 1922: „Es war ein sensationeller Erfolg. Wahre Beifallsstürme nach jedem Akt durchbrausten das Haus.“

Bei den Salzburger Festspielen 1922 trat Anna Bahr-Mildenburg als Schauspielerin auf. Sie spielte „auf Wunsch Hofmannsthals“ die „Welt“ in dessen Stück „Das Salzburger Große Welttheater“ unter der Leitung von Max Reinhardt.

Parallel zu ihrer Tätigkeit an der Münchner Akademie gab Anna Bahr-Mildenburg ab Anfang der 1930er Jahre in Salzburg „musikdramatische“ Kurse, diese fanden meist im Rahmen der Musikalischen Sommerkurse statt. 1932 veranstaltete Bahr-Mildenburg unabhängig von der Stiftung Mozarteum einen einmonatigen Kurs, für den sie über Vermittlung von Bürgermeister Max Ott und der Salzburger Sparkasse den Saal im Städtischen Kindergarten in der Wolf-Dietrich-Straße benutzen durfte. Die „Salzburger Wacht“ fand dies in einem Beitrag nicht angemessen und fragte, ob nicht das Mozarteum einen Raum zur Verfügung stellen könnte.

Zu ihrem 60. Geburtstag 1932 würdigte das „Salzburger Volksblatt“ Anna Bahr-Mildenburg als der „größten Tragödin auf dem Gebiete der Oper“, sie sei die „größte Meisterin dieses Gebietes“, das Blatt erinnerte daran, dass das „geistige Salzburg“ dieser „großen österreichischen Künstlerin in besonderem Danke ergeben“ sein müsse, da sie dafür hauptverantwortlich sei, dass ihr Gatte Hermann Bahr seine Bibliothek der Studienbibliothek geschenkt hatte.

 

NS-Zeit

Anna Bahr-Mildenburg wurde nie Mitglied der NSDAP, aber sie versuchte sich mit dem Regime zu arrangieren. Von ihr getätigte, den Nationalsozialismus unterstützende Aussagen können als Reaktion auf Anfeindungen interpretiert werden. Berufsbedingt war sie Mitglied der Reichsmusikkammer, eine Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer war wegen der nur nebenberuflichen Tätigkeit als Autorin nicht notwendig.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland war Anna Bahr-Mildenburg Feindseligkeiten ausgesetzt, die sich vor allem auf ihren Gatten sowie auf ihren Förderer Gustav Mahler bezogen. Im Hetzblatt „Der Stürmer“ erschien im Juni 1933 ein anonymer Angriff auf die als „große Täuscherin“ bezeichnete Professorin, in dem das Eintreten ihres Gatten für den jüdischen Schriftsteller Ernst Toller ebenso angesprochen wurde wie die Beziehung von Bahr-Mildenburg zu Mahler. Laut Darstellung im Nachruf der „Salzburger Nachrichten“ auf Bahr-Mildenburg 1947 kam es an der Akademie in München zu „Provokationen“ durch „Mitglieder der Studentenschaft (…) gegen die nicht mehr genehme Frau Professor“, die „betrunkene Störer zurechtwies und ihnen nahelegte, den Hörsaal zu verlassen“, worauf es zu „verschärften Quertreibereien“ gekommen sei. Bereits im Mai 1933 hatte Bahr-Mildenburg einen offenen Brief in ihrem Unterrichtsraum affichiert, in dem sie ausführte, sie könne „ruhig behaupten (…), dass mein ganzes Leben eine Erfüllung dessen ist und war, was unser Führer heute als erste Bedingung für die Gesundung unseres Volkes verkündigt“.

Kurz nach dem Artikel im „Stürmer“ sagte Anna Bahr-Mildenburg den Salzburger Festspielen ab, bei denen sie die Rollendramaturgie für die Aufführung des „Tristan“ hätte übernehmen sollen. Auch der Dirigent Hans Pfitzner sagte seine Teilnahme ab. Am 3. Juli 1933, kurz nach Inkrafttreten der „Tausend-Mark-Sperre“, hatte Bahr-Mildenburg ihre schriftliche Absage an die Festspiele gesandt: „Angesichts der heutigen politischen Spannungen zwischen Österreich und Deutschland kann ich als Professor an der Staatlichen Akademie der Tonkunst in München aus Gründen selbstverständlicher Loyalität dem Staate gegenüber, dem ich diene, nämlich dem geeinigten Deutschen Reich unter der Führung Adolf Hitlers, der mir die Möglichkeit gibt, meine Kunst an würdiger Stelle übermitteln zu können, bei den Festspielen dieses Jahr in Salzburg nicht mitwirken. Wie sehr ich der Idee der Salzburger Festspiele und der schönen Stadt Mozarts immer verbunden war und bleibe, das steht wohl außer Diskussion.“

Die „Salzburger Wacht“ machte die Absage als erste Zeitung öffentlich und vermutete den „Stürmer“-Artikel als Ursache: „Frau Bahr-Mildenburg, die in München ein Lehramt bekleidet und dadurch deutsche Staatsbürgerin ist, darf, wie wir aus verläßlicher Quelle erfahren, nicht nach Salzburg zur Inszenierung des Tristan und zur Abhaltung eines ihrer berühmten Kurse kommen. Die Ursache zu dieser Maßnahme gegen die österreichische Künstlerin rein arischer Abstammung bildet ein Hetzartikel in irgendeinem Naziblatt. Die Nazi-Kulturathleten gehen also gegen österreichische Künstler los: erst Lehar, jetzt Bahr-Mildenburg. Nur so weiter …“ Die „Wiener Allgemeine Zeitung“ schrieb am 12. Juli von Gerüchten über ein „Ausreiseverbot“, das über die Künstlerin verhängt worden sei, und brachte dazu auch gleich das Dementi der Salzburger Festspiele, das sich an diesem Tag in fast allen österreichischen Zeitungen fand. Es gebe keine Verweigerung einer Ausreisebewilligung, sondern lediglich eine terminliche „Interessen-Kollision“ wegen ihrer Tätigkeit an der Münchner Akademie, weshalb sie nicht vor Ort in Salzburg arbeiten könne, sie werde aber in München mit den Schauspielerinnen die Rollen einstudieren. Die Redaktion der „Salzburger Chronik“ fügte der Darstellung der Festspiele die Anmerkung hinzu: „Daß diese angebliche Pflichtenkollision trotz der etwas auffälligen Beschwichtigung durch die Festspielhausgemeinde mehr als verdächtig ist und sehr stark nach einem neuerlichen derben Belästigungsmanöver der nationalsozialistischen Kreise in München riecht, wird wohl kaum jemand abzuleugnen den Mut haben.“

Die Berliner „Vossische Zeitung“ paraphrasierte am selben Tag hingegen Bahr-Mildenburgs Absagebrief. Sie habe „ihr Gastspiel wegen der politischen Spannungen zwischen Deutschland und Oesterreich und aus Loyalitätsgründen gegenüber dem bayrischen Staat – sie ist Professor an der Staatlichen Akademie der Tonkunst in München – abgesagt.“ In der „Wiener Allgemeine Zeitung“ war sich Ludwig Ullmann sicher, die Begründung Mildenburgs sei von „ihrer vorgesetzten Behörde“ diktiert worden, es handle sich „um eine recht plumpe und überaus durchsichtige Büberei. Das beste österreichische Kulturpublikum sollte eine Art moralischer Ohrfeige erhalten. (…) Wir haben nicht die Empfindung, daß Anna Bahr-Mildenburg uns eine Ablehnung erteilt hat. Wir sind uns hingegen sehr wohl bewußt, wie würdelos man offenbar mit der großen Künstlerin in ihrer jetzigen bayrischen Heimat umspringt.“

Anna Bahr-Mildenburg fand in Wilhelm Furtwängler einen einflussreichen Fürsprecher. In einer Denkschrift für eine Audienz bei Hitler hatte sich der Dirigent zum „Fall Frau Bahr Mildenburg“ notiert: „Beste Wagner-Darstellerin und vor allem unerreichte Lehrerin des Wagner‘schen Stils. Reine Arierin, ist wegen Beziehungen zu jüdischen Künstlern wie Mahler, Bruno Walter usw. sowohl in der Presse als auch sonst dauernden Verfolgungen ausgesetzt. Auch hier bittet Herr von Hausegger [Direktor der Akademie für Tonkunst München; Anm. d. Verf.] um ein Machtwort, damit diese unersetzliche Kraft nicht auf diese Weise unterdrückt wird und uns erhalten bleibt.“ Furtwänglers Intervention, die Absage der Teilnahme an den Salzburger Festspielen und wohl auch ein Empfang bei Hitler dürften für Bahr-Mildenburgs Rehabilitation gesorgt haben. Die Künstlerin blieb bis zur Pensionierung wegen Erreichen der Altersgrenze 1937 an der Akademie in München tätig.

Am 15. Jänner 1934 starb Hermann Bahr, er wurde auf dem Salzburger Kommunalfriedhof unter Teilnahme von Vertretern von Stadt und Land Salzburg und auch von Schriftstellerkollegen wie Franz Karl Ginzkey und Stefan Zweig beigesetzt. Anna Bahr-Mildenburg widmete sich neben ihrer Arbeit nun auch der Erschließung des Nachlasses ihres Mannes. Weiters setzte ihre Tätigkeit als Dozentin auch in Kursen fort, etwa am Deutschen Musikinstitut für Ausländer in Berlin.

Ende 1937 setzte sich Anna Bahr-Mildenburg gegen Behauptungen, sie wäre jüdischer Abstammung, zur Wehr. Im „Großen Buch des Wissens“ aus dem Leipziger Dollheimer-Verlag fand sich ein Artikel über Hermann Bahr, in dem dieser als „Wahljude“ bezeichnet wurde und seine Gattin als „Jüdin“. Bahr-Mildenburg bat die Reichstheaterkammer „um Schutz gegen die lügenhafte Darstellung. (…) Wollen Sie mir freundlichst Ihre Hilfe zuteil werden lassen gegen diese das Werk meines Mannes, Hermann Bahr, sowie meine eigene Berufstätigkeit bedrohenden, der Wahrheit durchaus nicht entsprechenden Angaben. Heil Hitler!“ Die Reichstheaterkammer forderte daraufhin von Bahr-Mildenburg, der zuständigen Landesleitung München eine Bescheinigung über ihre Abstammung vorzulegen, dem kam sie für ihre Person auch nach, Unterlagen ihren Mann betreffend fehlten noch. Die Reichsschrifttumskammer fragte beim Verlag des beanstandeten Buches an, ob eine Änderung des Textes über Bahr möglich sei, da sich Frau Bahr-Mildenburg von der Darstellung verletzt fühle. Der Dollheimer-Verlag gab an, bereits mit der Regisseurin über eine Lösung zu verhandeln, man habe angeboten, eine „öffentliche Berichtigung“ im „Völkischen Beobachter“ zu veröffentlichen, wobei eine Änderung der Aussage über Hermann Bahr nicht vorgesehen sei. Folgender Wortlaut wurde vom Verlag vorgeschlagen: „Öffentliche Berichtigung. Im Band 1 des vom Verlage Georg Dollheimer in Leipzig herausgegebenen Lexikons ‚Großes Buch des Wissens’ ist die Ehefrau des Schriftstellers Hermann Bahr, Anna Bahr-Mildenburg, versehentlich als Jüdin bezeichnet worden. Dies trifft nicht zu. Anna Bahr-Mildenburg ist arischer Abstammung. Hingegen war Hermann Bahr in erster Ehe mit einer Jüdin verheiratet und damit jüdisch versippt. Darin kommt seine zur gleichen Zeit auch literarisch bekundete judenfreundliche Haltung zum Ausdruck, die zu der Bezeichnung Hermann Bahrs als ‚Wahljude’ berechtigt.“ Zu einer Veröffentlichung dieser Gegendarstellung dürfte es nicht gekommen sein. Hingegen verlangte die Reichsschrifttumskammer über die Reichsmusikkammer, Bahr-Mildenburg solle „ein Gutachten der Reichsstelle für Sippenforschung“ einholen, „um ihren arischen Nachweis in einwandfreier Weise zu erbringen“. Auch intern schien dies für Verwirrung gesorgt zu haben, findet sich doch der handschriftliche Vermerk „Das Gutachten wird doch nur für ihren Mann benötigt?“ am gleichlautenden Schreiben der Reichsschrifttumskammer an Bahr-Mildenburgs Anwalt. Letztlich konnte jedenfalls auch Hermann Bahrs „arische“ Abstammung belegt werden. Im Jahr 1941 wurden erneut aufkommende Beschwerden an die Reichsschrifttumskammer über die Aufführung von Bahr’schen Stücken daher auch einfach mit dem Vermerk abgelegt, es gäbe immer wieder Gerüchte über die Abstammung des Schriftstellers, weil er sich „philosemitisch geäussert“ habe, aber da „der Herr Reichsdramaturg verschiedene Bühnenstücke Bahr‘s durchgelassen hat, ist anzunehmen, dass die Abstammung doch in Ordnung geht“. Die „Rehabilitierung“ Bahrs zeigte sich 1939 in einem Artikel von J. B. Johannes über das künftige Hermann-Bahr-Archiv. Darin schrieb er dem Schriftsteller zu, für Hitler eingetreten zu sein, „den er von Anfang an hoch geschätzt“ habe: „Ohne Wanken hat er 1933 erklärt: ‚Meine Stimme gehört dem Hitler!’ (…) ‚Der Braunauer wird es machen!‘“. Der Beitrag erschien im Mai auch im „Neuen Wiener Tagblatt“, allerdings ohne die Passagen über Hitler.

Anna Bahr-Mildenburg setzte nach ihrer Pensionierung 1937 ihre Tätigkeit als Dozentin in Opernkursen fort. So hielt sie im August 1940 im Rahmen der Sommerkurse des Deutschen Musikinstitutes für Ausländer ihr Opernstudio ab und gab auch in Berlin Kurse für das Deutsche Musikinstitut für Ausländer. In Salzburg inszenierte sie als Gastregisseurin im November 1940 „Die lustigen Weiber von Windsor“ am Landestheater und ebendort im Februar 1941 die Oper „Zar und Zimmermann“ – über ihre Herangehensweise bei der Inszenierung berichtete Bahr-Mildenburg in einem Beitrag für die „Salzburger Landeszeitung“ – sowie im November 1941 „Bastien und Bastienne“. Letztere Aufführung diente gleichzeitig als Auftaktveranstaltung für den „Tag der Deutschen Hausmusik“ und wurde u. a. von Gauleiter Friedrich Rainer und dem Präsidenten der Reichsmusikkammer Peter Raabe besucht.

Bereits im Jänner 1941 hatte Anna Bahr-Mildenburg in Salzburg im Wiener Saal des Mozarteums im Rahmen des Deutschen Volksbildungswerkes einen vom Richard-Wagner-Verband Deutscher Frauen veranstalteten Vortrag mit szenischer Darstellung gehalten, eine Art Theaterabend mit Erläuterungen zu den Figuren. 1941 hielt sie im Rahmen der Sommerkurse der Internationalen Stiftung Mozarteum einen Lehr- und Vortragsabend ab und auch 1942 wiederum für das Deutsche Musikinstitut für Ausländer im Mozarteum sowohl einen Kurs als auch einen öffentlichen Vortragsabend, ebenso 1944. Vermutlich meint Martensen diese Verpflichtungen, wenn sie Bahr-Mildenburg für die Sommer 1943 und 1944 eine Dozententätigkeit an der Reichshochschule Mozarteum zuschreibt, die Dirigentin war jedoch nie Teil des Personalstandes der Hochschule.

Schon nach ihrer Pensionierung 1937 hatte Anna Bahr-Mildenburg beabsichtigt, in Wien Unterricht in Opern-Dramaturgie zu geben, ab 1936 war sie auch wieder in ihrer Geburtsstadt, in der Porzellangasse gemeldet, ab 1942 war sie in der Gumpendorferstraße wohnhaft. Im Studienjahr 1942/43 wurde ihr schließlich ein Sonderkurs für musikdramatische Darstellung an der Reichshochschule für Musik in Wien übertragen, 1944 wurde sie dort als Lehrerin angestellt, am Zentralinstitut für Theaterwissenschaft der Universität Wien übernahm die Dramaturgin einen „Arbeitskreis für Opernregie“.

Auch ihre Vortragstätigkeit für ein breiteres Publikum setzte Bahr-Mildenburg in Wien fort, überwiegend in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Volksbildungswerk. Im Frühjahr 1942 hatte sie in Wien Vorträge über „Musik und Gebärde“ im Kaisersaal der Staatsoper sowie im Brahmssaal der Gesellschaft für Musikfreunde gegeben. Diese Vorträge setzte sie auch 1943 und 1944 im Rahmen des Deutschen Volksbildungswerkes fort.

Anlässlich ihres 70. Geburtstages 1942 wurde ihr vom „Führer“ die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft „in Würdigung ihrer Verdienste als darstellende Künstlerin und Sängerin sowie als Pädagogin“ verliehen, welche ihr im Dezember 1942 von Reichsleiter Baldur von Schirach, dem Gauleiter von Wien, überreicht wurde, der ihr zum Geburtstag auch ein Bild mit Widmung schenkte. Die Direktion der Wiener Staatsoper veranstaltete zu ihren Ehren eine „Morgenfeier“ im Kaisersaal, Laudator Dr. Joseph Gregor lobte ihre „fanatische Hingegebenheit an das Werk“, Propagandaminister Joseph Goebbels bestellte der Jubilarin telegraphisch „die herzlichsten Glückwünsche“. In den Zeitungen erschienen ausführliche Würdigungen ihrer Kunst. Die „Salzburger Zeitung“ hielt neben ihrem „Bühnentemperament“ und „gewaltigen Stimmaterial“ auch fest, dass sie eine „ganze Generation heute berühmter Opernkünstler“ habe „in ihrem Geiste heranbilden dürfen, eine stattliche Reihe erster Kräfte ging aus ihrer Schule hervor“. Das „Neue Wiener Tagblatt“ betonte ihre „jugendliche Frische“, in ihr brenne „doch immer noch die Flamme reinster Begeisterung“.

Otto Repp schrieb im „Völkischen Beobacher“, Anna Bahr-Mildenburg sei eine „förmlich legendär“ gewordene Künstlerin, in ihrer Lehrtätigkeit lebe „die Wesenstiefe und unsterbliche Kraft“ von Cosima Wagner fort. Letztlich verwies Repp Bahr-Mildenburg jedoch auf ihren Platz als Frau im nationalsozialistischen Deutschland: „Daß Anna Mildenburg seit 1909 die verständnisvolle und hingebende Gattin des Dichters Hermann Bahr war, dessen Werke sie jetzt geradezu eine Auferstehung feiern sieht, daß sie während des Weltkrieges in aufopfernster Weise und mit aller Teilnahme ihres Gemüts Verwundete betreute, daß sie auch jetzt hilft und aufrichtet, wo sie kann, affenbart (sic) den anderen Wesenskern dieser großen Künstlerin: die deutsche Frau.“

 

Nachkriegszeit

Da Anna Bahr-Mildenburg keine Mitgliedschaften oder Funktionen in der NSDAP oder ihren Verbänden einnahm, musste sie sich keinem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Sie blieb an der Universität Wien tätig, wo sie im Winter 1945/46 einen Sonderkurs abhielt.

Anna Bahr-Mildenburg verstarb unerwartet am 27. Jänner 1947 in ihrer Wohnung in Wien. In den Zeitungen erschienen ausführliche, würdigende Nachrufe. Die „Welt am Abend“ schrieb über die „große Opernsängerin“: „Sie war bis zu ihrem plötzlichen Tod von jugendlichem Feuer beseelt, einem Feuer, das noch aus einem anderen Jahrhundert gespeist wurde und eben deshalb alle jene bereicherte und erwärmte, die gerne aus der Vergangenheit das lernen wollten, was der Gegenwart fehlt. Ihr altmodischer Idealismus blieb in all den harten Kriegs- und Nachkriegsjahren ungebrochen und hat damit seine innere beständige Kraft erwiesen.“ In der Tageszeitung „Neues Österreich“ hieß es, Bahr-Mildenburg sei „eine der letzten großen Sängerinnen aus der Tradition des musikalischen Wien von gestern. Sie blieb mit der Stadt, mit ihrer Oper und ihrer Musikerziehung ein ganzes Leben lang unzertrennbar verbunden.“ Die Verstorbene wurde im erhalten gebliebenen Teil der Wiener Staatsoper, im einstigen Teesalon, aufgebahrt, im Foyer fand am 1. Februar 1947 unter Mitwirkung von Staatsopernchor und Wiener Philharmonikern die Trauerfeier statt. In einem Trauerzug wurde der Sarg um die Ruine der Oper getragen, anschließend zum Westbahnhof gebracht und nach Salzburg überführt. Anna Bahr-Mildenburg wurde am 5. Februar 1947 in der Bahr’schen Familiengruft am Kommunalfriedhof beigesetzt, Salzburgs Vizebürgermeister Dr. Erich Grießenböck (SPÖ) erinnerte in seiner Ansprache an ihre freiwillige Tätigkeit als „Schwester Anna“ im Ersten Weltkrieg.

Anna Bahr-Mildenburgs Nachlass befindet sich in der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Sie hatte genau geregelt, wie dieser aufzustellen und zu präsentieren wäre.

 

Straßenbenennung

Eines der wichtigsten stadtplanerischen Projekte der „ständestaatlichen“ Salzburger Landes- und Stadtregierung war die Eingemeindung bis dahin selbstständiger Gemeinden in das Stadtgebiet der Landeshauptstadt, darunter auch Teile von Aigen bzw. Parsch. Diese Zusammenlegung wurde mit 1. Juli 1935 vollzogen. Die Vergrößerung der Stadt Salzburg machte laut Protokoll des Gemeindetags insgesamt 120 Um- und Neubenennungen von Straßennamen notwendig, die im November 1935 beschlossen wurden. Dr. Franz Martin, Direktor des Salzburger Landesarchivs und für die Benennung von Straßen in der Stadt Salzburg zuständig, sprach von annähernd 200 Verkehrsflächen, die im Zuge der Eingemeindungen zum Straßennetz der Landeshauptstadt hinzukamen und mit einem neuen Namen versehen werden mussten, zum Teil um Verdopplungen und damit zusammenhängende Verwechslungen zu vermeiden. Eine dieser notwendigen Umbenennungen betraf die Gärtnergasse in Parsch, gab es doch bereits seit 1873 im Stadtteil Riedenburg/Neu-Maxglan die nach dem Benediktinerpater Corbinian Gärtner benannte Gärtnerstraße. „Die Parscher Gärtnergasse wird Mildenburggasse“, so Franz Martin. Sowohl die Benennung der Straße nach einer lebenden Person als auch die selten vorgenommene öffentliche Auszeichnung einer Frau verdienen Beachtung.