"Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh". Eine Überlebensgeschichte

Die Autobiografie von Marko Feingold

Zur Genese des Buches

Das autobiographische Buch „Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh“. Eine Überlebensgeschichte basiert auf einem zweiwöchigen extensiven Interview, das die HistorikerInnen Birgit Kirchmayr und Albert Lichtblau mit Marko Feingold führten.
Finanziert werden konnte das Projekt, wie die beiden HerausgeberInnen in ihrem Nachwort schreiben, im Grunde genommen dank eines glücklichen und eher zufälligen Umstandes: Die 1998 in Salzburg gezeigte „Wehrmachtsausstellung“ hatte letztlich weitaus mehr BesucherInnen (knapp 20.000) als erwartet angezogen, was einen finanziellen Überschuss bescherte. Dieser konnte in Absprache mit dem Veranstalter, dem Hamburger Institut für Sozialforschung, unter anderem für die Buchpublikation verwendet werden. Insofern als dass Feingold selbst Mitglied im Verein „Erinnern!“ war, der die Ausstellung nach Salzburg gebracht hatte, war dies auch ganz im Sinn der Sache. Der Geldbetrag beruhte hauptsächlich auf einer Rückerstattung der so genannten „Vergnügungssteuer“ an die OrganisatorInnen der Ausstellung durch den Salzburger Gemeinderat, der sich mit nur einer Stimme Mehrheit dafür ausgesprochen hatte.

Die Erzählsituation von ZeitzeugInnen

Wie Kirchmayr und Lichtblau in ihrem Nachwort aber auch betonen, gestaltet sich die Arbeit mit ZeitzeugInnen aus der Sicht von HistorikerInnen generell nicht unbedingt einfach: „Da ist die Angst vor den schon mehr als hundert Mal erzählten Geschichten, die eher Erinnerungen an Erzählungen sind, denn Erinnerungen an damals Geschehenes, die Angst vor Erinnerungen, die sich gern mit Angelesenem vermischen und die durch Wiederholung in ihren Pointen schon bestens erprobt sind. Zudem mischt sich sehr viel an Geschichtsinterpretation in die Erzählstruktur, da Zeitzeugen oft auch die Rolle von Geschichtslehrern übernehmen müssen. Trotzdem schien es uns das Risiko wert.

Zu dieser spezifischen Erzählsituation und Erinnerungsperspektive hinzu kommt der Umstand, dass ein autobiographischer Text wie „Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh“ wesentlich auch Selbstpräsentation ist. Marko Feingold begegnet seinen LeserInnen im Buch somit auch auf jene Weise, auf die er selbst der Nachwelt in Erinnerung bleiben wollte. Sind diese Komponenten auch stets mitzudenken, so bleibt der Wert des Buches als individuelles Überlebenszeugnis doch unbestritten.

Inhalt und Erzählart

Inhaltlich fokussiert das Buch insbesondere auf die erste Lebenshälfte Marko Feingolds, mit einem Schwerpunkt auf jenen Wendungen, Brüchen und Leidenserfahrungen, die durch den Nationalsozialismus und Holocaust bedingt waren. Beginnend mit Schilderungen seiner Kindheit und Jugend im Wien der 1920er Jahre, erfahren die LeserInnen anschließend von seinen Jahren als Vertreter für Flüssigseife und Bohnerwachs im faschistischen Italien der 1930er Jahre, seiner vergeblichen Flucht vor den Nationalsozialisten nach Prag 1938 und dortigen Verhaftung.
Ein Großteil der nachfolgenden Ausführungen im Buch befasst sich mit einer detailgetreuen Schilderung der erlebten Gräuel in den Lagern Auschwitz, Neuengamme, Dachau und insbesondere Buchenwald.
Abschließend wird im letzten Teil Feingolds privater und beruflicher Werdegang nach 1945 bis in die Gegenwart des Buches skizziert. Der Akzent liegt hierbei in erster Linie auf der unmittelbaren Nachkriegszeit, auf Feingolds „Neubeginn“ in Salzburg und seinen Bemühungen, jüdischen Displaced Persons über Salzburg eine (illegale) Auswanderung nach Palästina zu ermöglichen.
Überdies erzählt Feingold unter anderem von seinem Bekleidungsgeschäft „Wiener Mode“ in der Wolf-Dietrich-Straße, seiner ersten Ehe, seiner Tätigkeit für die Israelitische Kultusgemeinde Salzburg nach seiner Pensionierung und seinem unermüdlichen Einsatz als Zeitzeuge. Zugleich spricht Feingold aber auch immer wieder persönliche Erfahrungen von Antisemitismus nach 1945 an.

Nichtsdestotrotz ist aus seinen Worten weder Verbitterung oder Anklage noch Sentimentalität herauszulesen. Vielmehr liegt in ihnen trotz des Erlittenen und unvorstellbaren Leids auch viel feinsinniger Humor und Selbstironie und stellenweise eine überraschende Leichtigkeit, die seine eindringlichen Einblicke in die dunkelsten menschlichen Abgründe ein Stück weit erträglicher machen. Im ganzen Buch spiegelt sich somit ein wesentliches Charakteristikum der Person Marko Feingold an sich wider, mit welchem er über Jahrzehnte hinweg auch als Zeitzeuge seine ZuhörerInnen fasziniert und bewegt hat. Am Ende lässt das Buch seine LeserInnen mit der eindrücklichen Botschaft zurück: Wer einmal gestorben ist und durch die Hölle ging, den kann nichts mehr erschüttern.

Literaturempfehlung:
  • Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000.
  • Helga Embacher (Albert Lichtblau / Günther Sandner), Umkämpfte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg, Salzburg 1999.